Leiden sollst du
Oberschenkeln sitzend ins Wohnzimmer. „Wo ist Ben?“
„Er nimmt ein Bad.“ Zärtlich strich sie über Daniels Stirn hinab über seine Schläfe und kraulte seinen gestutzten Bart. „Hättest du auch Lust? So wie früher.“
Zu zweit, meinte sie. Noch vor wenigen Monaten wäre er längst unter ihr hart geworden, doch jetzt regte sich nichts mehr zwischen seinen Beinen. Behutsam schob er sie herunter. „Ohne Badewannensitz?“
„Du hast doch starke Oberarme.“ Auf eine sinnliche Art und Weise drückte sie seinen Bizeps. Dabei beugte sie sich zu ihm herab, sodass er ihre Brüste unter dem Pullover sehen konnte. Wie er seine Ehefrau kannte, war ihr das nicht einmal bewusst. Der Anblick ließ ihn nicht kalt, aber es handelte sich dabei eher um ein Gefühl von Wärme in seinem Brustkorb als in seinem Schritt.
„Ich könnte am Wannenrand abrutschen und mit dem Hinterkopf aufschlagen. Du hast nicht die Kraft, mich aus dem Wasser zu heben, nicht einmal zusammen mit Ben.“ Vor seinem Unfall – das war inzwischen zu seiner Zeitrechnung geworden – hatten sie ab und zu zusammen gebadet und nicht gerade selten hatten sie entweder in der Wanne oder danach im Bett miteinander geschlafen. Das würde nie wieder passieren. Sosehr er es sich auch wünschte, er konnte ihr keine Befriedigung mehr verschaffen. Manchmal glaubte er, Marie mache sich etwas vor, weil sie immer noch daran festhielt, dass Intimität zwischen ihnen weiterhin möglich war.
Sie verzog ihr Gesicht und richtete ihren Oberkörper auf. „Wovor hast du Angst?“
„Versöhnungssex ist nicht mehr ... machbar“, sagte er zerknirscht. Verkrampft hielt er sich an den Armlehnen fest.
„Ich will dich! Immer noch genauso wie vorher.“
„Aber ich bin nicht mehr der Mann, den du geheiratet hast, nicht da unten zumindest.“ Auch sein Charakter hatte sich geändert, und zwar nicht gerade zum Besten.
Resigniert ließ sie ihre Arme hängen. „Ich möchte doch nur Nähe. Im warmen Wasser in deinen Armen liegen und dich spüren.“
„Aber ich spüre da unten nichts mehr.“ Um seine Worte zu unterstreichen, kniff er in seinen Schoß.
Marie zuckte erschreckt über die gegen sich selbst gerichtete Grobheit zusammen. „Aber der Rest von dir ist noch lebendig. Warum lässt du es zu, dass der gelähmte Teil deines Körpers den gesunden negativ beeinflusst? Es sollte andersherum sein. Dein Lebenswille sollte über die Querschnittslähmung siegen.“
„Du hast wie immer recht. Und ich bemühe mich ja.“ Immerhin fuhr er inzwischen Auto, hatte sich Equipment für seinen Rolli gekauft und versteckte sich nicht mehr zu Hause, sondern kämpfte sogar darum, seinen alten Job wiederzubekommen. „Aber Sex kann ich dir nicht mehr bieten.“
„Liebe offenbar auch nicht, denn jede Berührung scheint dich Überwindung zu kosten. Herrgott, ich bin nicht so sexbesessen, wie du denkst. Du bist erst mein zweiter Mann gewesen ...“ Überrascht von ihrem eigenen Geständnis, das ihr anscheinend voreilig über die Lippen gekommen war, schlug sie die Hand vor ihren Mund. Sie errötete.
Das hatte er nicht gewusst. Umso schlimmer war es für ihn, nicht mit ihr schlafen zu können. Sie hatte ihn mit dieser Beichte wohl beruhigen wollen, doch nun fühlte er sich erst richtig elend. Eine junge schöne Frau wie Marie sollte Abenteuer erleben, sollte sich austoben und Erfahrungen sammeln, stattdessen hing sie an ihm fest. Möglicherweise hatten ihre Eltern recht, sie hatten zu früh geheiratet.
Der Gedanke, dass sie sich mehr oder minder für ihn aufgespart hatte und er ihr keine Lust mehr verschaffen konnte, zerriss ihn innerlich. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie ihn verlassen würde, um einen richtigen Mann zu finden, der mit ihr das aufholte, was sie in ihren gemeinsamen Jahren – Zeit, die sie damit vergeudet hatte, ihm zur Hand zu gehen wie eine Pflegekraft – verpasst hatte.
Mit belegter Stimme sagte er absichtlich etwas Grausames, um sich davon abzulenken, nicht in tausend Stücke zu zerbrechen, und Maries Verlangen, sollte nach der Diskussion überhaupt noch ein Quäntchen davon vorhanden sein, zu zerstören: „Ich habe gerade eine Leiche gefunden“, genau genommen waren es zwei, „eine schwangere Polizistin.“
„Das Baby ...?“ Entsetzt ließ sich Marie auf die Couch fallen.
„Tot.“
„Oh mein Gott!“
Er zog seine Fleecejacke aus, auf der noch immer Regentropfen schimmerten, und erzählte ihr davon, dass Corinna Backes, die die Ermittlungen
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