Leiden sollst du
Polizeiärztlichen Dienst begutachten zu lassen?“
„Der PÄD kann mir den Buckel runterrutschen!“ Mit der Faust schlug Daniel auf die Schreibunterlage, sodass die Tastatur klapperte. „Ich brauche nicht noch mehr Ärzte und Psychiater, die mir sagen, wie ich mein Leben meistern soll.“
„Es gibt eine Schwerbehindertenvertretung.“
„Bei dem Wort allein gruselt es mich schon.“
„Du solltest mit dem Landschaftsverband Rheinland reden“, schlug Tomasz vor. „Der LVR finanziert behindertengerechte Arbeitsplätze.“
„Ich will so etwas nicht.“ Außerdem waren bereits einige Zugänge im Präsidium für andere Rollstuhl fahrende Kollegen umgebaut worden, es gab behindertengerechte WCs und spezielle Parkplätze. Und an seinem Bürotisch konnte er problemlos mit seinem Chopper sitzen, wie er gerade feststellte. Wozu also Gespräche mit Menschen führen, die selbst zwei gesunde Beine besaßen und keinen blassen Schimmer hatten, wie es wirklich war, halb gelähmt zu sein?
Seufzend neigte Tom sich vor. Er nahm einen Kugelschreiber und tippte mit der Spitze auf einen Block. „Aber du musst dich damit auseinandersetzen.“
„Ich muss gar nichts“, Daniel schnaubte und strich über die Armlehne seines Rollis, „außer in dieser Krüppel-Harley zu sitzen.“
„Überleg es dir.“ Bei jedem Argument, das folgte, malte Tomasz einen Haken auf das Papier, als würde er eine Liste abstreichen. „Ein eigener Garagenplatz im Keller, mehr Urlaub, frühere Rente, Steuersenkung ...“
„Verdammt, ich will keine Vergünstigungen!“, sagte Daniel etwas lauter als beabsichtigt. Eigentlich wünschte er sich lediglich, so zu sein wie jeder andere auch. Wenn er schon nicht normal war, wollte er wenigstens so behandelt werden. „Ich bin nur gekommen, um meine alte Abteilung zu besuchen.“
Schnalzend warf Tom den Kuli weg. Dieser rollte über den Tisch. Nur der Stapel Papiere, die Daniel umgeworfen hatte, hielt ihn davon ab, auf den Boden zu fallen. „Verarsch mich nicht. Dazu bist du zu schnell in unser Büro geflüchtet, als die anderen dich begrüßten. Außerdem kenne ich dich zu gut. Weshalb bist du wirklich gekommen?“
Daniel lächelte seinen Freund an. Das mochte er an Tom, für gewöhnlich sprach er Klartext. Das brauchte Daniel, so wollte er behandelt werden und nicht wie ein rohes Ei. Es war Zeit, die Karten offenzulegen. „Da gibt es eine junge Frau, die mir nicht mehr aus dem Kopf geht.“
Plötzlich trat ein Mann ein, der so jung aussah, als wäre er ein Mathestudent im Erstsemester, sah Daniel und stoppte überrascht im Eingang.
Sofort schwieg Daniel. Was er mit Tomasz zu besprechen hatte, war nur für die Ohren seines alten Kollegen bestimmt, denn das Thema war heikel und auch nicht ganz legal.
In einer eindeutigen Geste der Verlegenheit strich sich der Fremde durch seine blonden Locken. Nur eine Seite seines weißen Hemdes steckte in seinen Bluejeans, die andere hing heraus, und Daniel vermutete, dass das stylish sein sollte. Kurz überlegte er, ob er dem Burschen fünf Euro für die Kantine in die Hand drücken sollte, damit dieser sie erstens alleine ließ und er zweitens etwas auf die Rippen bekam, denn er war ein Spargel. Daniel konnte sich den Seitenhieb gerade noch verkneifen.
„Das ist Hauptkommissar Daniel Zucker.“ Tomasz rollte seinen Stuhl etwas zurück und drehte sich in Richtung Tür.
„Kommissar Leander Menzel.“ Etwas schüchtern hob der Anwärter seine Hand zum Gruß. „Ich habe schon viel von Ihnen gehört.“
„Dass ich jetzt ein Krüppel bin?“ Für diese Frage erntete Daniel ein rügendes Zischen von Tom, aber er ignorierte es, weil er eifersüchtig war, dass die beiden nun zusammenarbeiteten.
„Dass Sie einer der besten Kriminalkommissare waren.“ Erst als Leander den Bleistift hinter seinem Ohr hervorzog, bemerkte Daniel den Stift.
Er ließ nach. Normalerweise entging ihm kein Detail. War er etwa jetzt schon aus der Übung? Seinen Unmut über diese Unaufmerksamkeit ließ er an dem jungen Mann aus. „Ich bin es immer noch. Nur weil ich meine Beine nicht mehr spüre, funktioniert mein Kopf trotzdem noch bestens, vielleicht sogar noch besser, weil ich mich nicht mehr auf so unwichtige Dinge wie Gehen konzentrieren muss.“
„Tut mir leid, das war ... so war das echt nicht gemeint“, stotterte Leander herum und biss einige Male auf das obere Ende des Stifts, als beruhigte ihn das. „Ich muss noch etwas erledigen, bleiben Sie ruhig so lange an meinem
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