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Leiden sollst du

Leiden sollst du

Titel: Leiden sollst du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Wulff
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Aufenthaltsräumen des Personals verlassen. Ben konnte unbemerkt hinter ihr gerade noch hindurchschlüpfen und von dort aus durch den Hinterausgang fliehen.
    Marie redete weiter auf ihn ein, aber er nahm ihre Worte nicht wahr. Während Horrorszenarien in seinem Kopf abliefen, stopfte er sich weitere Gummibärchen in den Mund. Vor Nervosität hatte er an diesem Abend die ganze Packung verdrückt. Jetzt war ihm schlecht, aber es waren nur noch fünf Stück übrig. Sie für den nächsten Tag aufzuheben lohnte sich nicht. Nachdenklich wiegte er sie in der Hand und aß sie schließlich doch noch.
    Mit vollem Mund sprach er in den Hörer: „Du hattest mir hoch und heilig versprochen, niemandem etwas zu sagen, erst recht nicht Daniel!“
    Dieser Vertrauensbruch tat weh! Aber es war Angst, die ihn dazu veranlasste, wie von Sinnen die Schublade seines Schreibtisches aufzureißen und nach den Blunts zu kramen. Noch bevor er das Fenster öffnete, zündete er sich einen an. Das Marihuana senkte sich auf seine Sinne und verbannte die Welt hinter eine Glasscheibe. Normalerweise beruhigte ihn diese Distanz, diese verzerrte Wahrnehmung, der Eindruck, sich unter einer Glocke zu befinden, sodass ihm niemand etwas anhaben konnte, doch das Scheißegal-Gefühl stellte sich nicht ein. Heute wirkte das Gras eher wie ein zusätzlicher Dämon, der ihn niederzudrücken versuchte.
    Er rauchte dennoch weiter und lehnte sich gegen die Wand, damit man ihn von draußen nicht sah. Die Wohnhäuser in ihrem Viertel standen viel zu eng beieinander.
    „Hörst du mir noch zu?“ Nur gedämpft drang Maries Stimme noch zu ihm durch. „GeoGod hat sich auf deinem Handy nicht gemeldet. Keine Anrufe, keine SMS. Hast du versucht, ihn über seine Homepage zu erreichen?“
    Als er antwortete, klang es in seinen Ohren, als würde jemand anderes sprechen: „Die ist down.“
    „Wie bitte?“
    „Da steht nur drauf: Die Website ist zurzeit nicht zu erreichen.“
    „Was hat das zu bedeuten?“
    Ben bekam Bauchschmerzen. Das falsche Abendessen, redete er sich ein. „Ich weiß es nicht.“
    „Vielleicht hat er die Lust verloren.“
    „Ja, klar.“ Der Patron steckte nicht so viel Energie und List in die Organisation seines Spiels, um sich dann urplötzlich zurückzuziehen. Nein, Benjamin wusste es besser. Wahrscheinlich gehörte das mit zu GeoGods großem Plan, wie auch immer der aussah. Dieses kranke Schwein bereitete nur seinen nächsten Schritt vor.
    Benjamin erschauderte und schob das auf die Kühle der Nacht, aber es funktionierte nicht, sich selbst zu belügen.
    „Ich bringe dir dein Handy trotzdem sofort vorbei, falls er doch noch anruft oder schreibt. Daniel hat mich heimgefahren. Ich komme mit meinem Wagen zu dir. Dann reden wir weiter.“ Sie zögerte. „Er findet es zu riskant, bei dir aufzutauchen, weil der Patron dich beobachten und herausfinden könnte, dass er ein Polizist ist, deshalb komme ich alleine.“
    Erleichtert stieß er den süßlich duftenden Rauch aus.
    „Außerdem muss ich dir etwas über Julia sagen.“
    „Julia?“ Er versteifte sich. Was wusste Marie? Die Gummibärchen in seinem Magen fühlten sich an wie die Wackersteine, die der Jäger dem bösen Wolf in den Magen gepackt hatte, nachdem er Rotkäppchen und ihre Großmutter aus ihm herausgeschnitten hatte. Warum das Mädchen und die alte Frau zu diesem Zeitpunkt nicht einmal ansatzweise verdaut gewesen waren, hatte er nie verstanden.
    „Ich möchte nicht, dass du es von der Polizei erfährst oder darüber in der Zeitung liest. Wir reden gleich darüber.“
    „Nein, ich will es jetzt wissen. Was ist mit ihr? Sag schon!“ Er inhalierte den letzten Zug seines Blunts so tief, dass seine Lungenflügel brannten. In hohem Bogen warf er die Kippe hinaus. Er machte in der Wohnung des gegenüberliegenden Hauses, das nur durch einen Gehweg und den Vorgärten von dem ihren getrennt war, eine Bewegung aus. Aber als er erneut hinüberspähte, sah er niemanden. Das Apartment war dunkel. Er musste sich getäuscht haben. Sein Herz pochte dennoch schneller.
    Sie schimpfte leise mit sich selbst, als wünschte sie sich, den Mund gehalten zu haben. „Es wurden Spuren an ihrem Körper gefunden.“
    „Ja?“ Benommen schwankte Benjamin zum Käfig, um Kobold herauszuholen, denn er sehnte sich nach seiner Körperwärme und seinem weichen Fell. Doch die Tür stand offen. Er war sich sicher, sie geschlossen zu haben. Wer hatte die Ratte herausgelassen? Seine Mutter bestimmt nicht. Sie ging nicht

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