Leiden sollst du
Winkel, in denen er sich verstecken konnte.
Zögerlich ging Marie weiter, die Hände fest in ihre Handtasche gekrallt. Die Kälte der Nacht kroch unter ihren gefütterten Blazer. Das Klacken ihrer Stiefelsohlen auf dem Asphalt machte sie nervös. Es hallte in der Straße wider, als wäre jemand hinter ihr.
Schritt für Schritt wurde das Bild klarer. Sie hielt die Luft an.
Zumindest saß niemand mehr im Wagen. Erleichtert atmete sie aus.
Als sie neben ihrem Auto stand, neigte sie sich vor und sah durch das Seitenfenster hinein. Überrascht bemerkte sie einen Gegenstand, der auf dem Fahrersitz lag. Er gehörte ganz sicher nicht ihr!
Begleitet von einem unangenehmen Kribbeln im Nacken prüfte sie die Fahrertür. Sie war nicht aufgebrochen worden, ließ sich aber problemlos öffnen, dabei war Marie sich sicher, sie abgeschlossen zu haben. Rasch holte sie ihr Schlüsselbund aus der Tasche und suchte den Wagenschlüssel. Sie hatte ihn noch. Er war dort, wo er immer war.
Daher gab es für sie nur zwei Möglichkeiten. Entweder hatte jemand ihren Schlüssel kopiert oder ihren Smart mit einem Draht oder einem Spezialwerkzeug geöffnet.
Wer mochte das Smartphone auf ihrem Sitz deponiert haben? Und zu welchem Zweck? Verfolgte derjenige ihre Reaktion aus dem Verborgenen heraus?
Sie hoffte, dass alles harmloser war, als sie es sich vorstellte. Die Sache mit GeoGod machte sie nervös, dabei schien er untergetaucht zu sein. Weil er seinen Spaß gehabt hatte oder weil private Gründe ihn von seiner exaltierten Geocaching-Version abhielten. Bestenfalls hörte Benjamin nie wieder etwas von ihm.
Glaubst du das wirklich , fragte sie sich skeptisch, öffnete die Tür und nahm das Handy vorsichtig mit zwei Fingern.
Sie hielt das fremde Smartphone, als handelte es sich um Sprengstoff. Auf der Rückseite klebte das Emblem der Kölner Haie, ein stilisierter Hai und darüber in roter Schrift der Name der Eishockeymannschaft. Benjamin war ein Fan des Teams.
„Viele andere Kölner auch“, versuchte sie sich zu beruhigen.
Unsicher, ob sie tun sollte, was man offenbar von ihr erwartete, nämlich das Smartphone zu untersuchen, oder ob es nicht weiser war, genau gegenteilig zu reagieren, zögerte sie. Sollte Marie etwa ...? Jetzt sofort?
Aufgeregt warf sie einen Blick auf ihre Armbanduhr, dachte daran, dass Benjamin in Nippes auf sie wartete, konnte jedoch der Neugier nicht widerstehen und schaltete das Telefon ein. Sie wollte nur kurz nachschauen, was darauf zu sehen war. Möglicherweise fand sie auf die Schnelle eine Antwort auf die Frage, warum man es ihr zugespielt hatte. Und wer in ihren Wagen eingebrochen war.
Denselben Gedanken hatte sie schon im Römisch-Germanischen Museum gehabt, als sie sich gefragt hatte, wie GeoGod es geschafft hatte, den Cache an einem solch zentralen Ort zu verstecken.
War tatsächlich er es gewesen, der das Handy in ihren Wagen gelegt hatte, sodass sie es auf jeden Fall finden musste?
Aber dann fiel ihr ein, dass es vermutlich gar keine Schatzkiste im Museum gab, dass diese Aufgabe nur eine Finte gewesen war, um Benjamin Angst einzujagen und eventuell sogar mit dem Gesetz in Konflikt zu bringen. Vielleicht handelte es sich beim Patron um einen Aufschneider, der nicht halb so mächtig war, wie er vorgab zu sein.
Als sie sich durch den Inhalt klickte, bekam sie eine Gänsehaut. Marie glaubte, Blicke auf sich zu spüren. Schritte näherten sich. Sie sah keuchend auf. Bange schaute sie sich um, während das Blut durch ihre Schläfen pulsierte. Das Geräusch verhallte jedoch, die Person entfernte sich wieder, doch Maries Angst blieb.
Marie flüchtete regelrecht in ihr Auto. Sie setzte sich hinter das Steuer und hielt den Autoschlüssel wie eine Waffe in der Hand. Das sah zwar lächerlich aus, aber Daniel hatte ihr gezeigt, welche Verletzungen man einem Angreifer am Hals und im Gesicht damit zufügen konnte.
Aufgewühlt schloss sie die Tür und verriegelte sie von innen. Sie warf ihre Tasche auf den Beifahrersitz und hielt das Handy wie eine Kostbarkeit, die sie schützen musste, mit beiden Händen fest. Denn es war unschwer zu erkennen, wem es gehört hatte. Das Display zeigte das Foto eines Mädchens. Ihre langen blonden Haare fielen gerade über ihre Schulter hinab. Sie war ungeschminkt und trug ein einfaches, aber enges weißes Trägershirt und sah dabei auf eine natürliche Weise hübsch aus. Daneben war eine Sprechblase abgebildet, in der stand: „Finger weg! Das ist mein Phone.“
„Julia
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