Leiden sollst du
sah sich selbst als echten Kerl an, der hart im Nehmen war, aber die Schmerzen hatten ihm die Tränen in die Augen getrieben. Seitdem trug er seinen Ehering auf der linken Seite.
Daniel wollte, dass der Abend perfekt war, wollte Marie verwöhnen und überraschen, denn sie hatte es verdient.
Außerdem ging es ihm besser, nicht körperlich natürlich, sondern moralisch. Dieser kleine Durchbruch musste gefeiert werden! Es hatte ihm Kraft gegeben, das Polizeipräsidium von innen zu sehen, ein paar Kollegen zu treffen und wieder an einem Schreibtisch zu sitzen, wenn auch in der falschen Abteilung.
Überdies hatte er eine Aufgabe. Er musste GeoGod stoppen und herausfinden, wo der Zusammenhang zwischen Mike Schardt, Günther Lenz, Julia Kranich und, ja, auch Benjamin bestand. Dadurch, dass er endlich wieder ein Ziel vor Augen hatte, rauschte das Blut stärker durch seine Adern, das Adrenalin riss ihn aus seiner Lethargie und er spürte, dass sein Lebensmut zurückkehrte. Er bekam ein schlechtes Gewissen, weil etwas Böses ihn aus seiner Schwermut riss, aber er war nun einmal mit Leib und Seele Kriminalkommissar und würde nie etwas anderes sein können.
Ungeduldig schaute er sich nach dem Kellner um, der verschwunden war, und seufzte. „Ich muss wirklich dringend aufs stille Örtchen.“
„Ich bestelle schon mal ein Glas Rotwein.“ Marie lächelte ihn an.
„Nein.“ Amüsiert nahm er zur Kenntnis, wie ihr das Grinsen von einer Sekunde zur anderen verging.
„Nicht?“
Er zwinkerte ihr zu. „Gleich eine ganze Flasche.“
Verschwörerisch neigte sie sich zu ihm und dämpfte ihre Stimme. „Die ist hier bestimmt sehr teuer und wir müssen unser Geld zusammenhalten.“
„Das ist heute Nacht egal.“ Er küsste sie sanft auf den Mund, wischte sich danach mit dem Handrücken ihren dezent rosafarbenen Lippenstift ab, was sie mit einem Kopfschütteln und einem Lächeln quittierte, und fuhr zum WC.
Dort zog er seine schwarzen Halbfinger-Rollstuhlhandschuhe aus. Er entfernte das Pflaster von seinem rechten Ringfinger, das er zum Schutz trug, damit sich die Wund- und Heilsalbe nicht unter dem Leder verteilte, wusch diese ab und zog mit der Fingerspitze die dunklen Linien nach. Zufrieden und gespannt, da er nicht wusste, ob Marie ihn für verrückt erklären würde oder seinen Liebesbeweis zu schätzen wusste, steckte er seinen Ehering auf die richtige Seite und zog die Handschuhe wieder an.
Er kehrte ins Restaurant zurück, verwundert darüber, wie stark sein Herz vor Aufregung pochte – und stoppte die Räder seines Bocks unvermittelt. Das durfte doch wohl nicht wahr sein! Er traute seinen Augen kaum. Irene und Rainer Bast nahmen gerade neben Marie Platz – an ihrem und Daniels Tisch, gedacht für ein romantisches Essen, das ihre Ehe bitter nötig hatte. Aber sie würden gleich wieder gehen, oder etwa nicht?
Noch hatten sie ihn nicht bemerkt, denn ein Paravent aus kunstvollem Eisengeflecht stand zwischen ihnen und nahm zwar nicht die volle Sicht, schirmte aber dennoch ein wenig ab. Außerdem saß seine Schwiegermutter mit dem Rücken zu ihm und von seinem Schwiegervater sah er nur das Profil.
Was taten sie in der Hummergabel ? Es gab unzählige Restaurants in einer Großstadt wie Köln. Mussten sie sich ausgerechnet dieses aussuchen? Das war einfach zu unwahrscheinlich! Zumal sie nie über dieses schwimmende Lokal gesprochen hatten.
In seiner ironischen Art untersuchte er seinen Bock nach einem Peilsender, fand aber keinen.
Widerstrebend rollte Daniel auf seiner Krüppel-Harley näher. Dann blieb er doch wieder stehen und knirschte mit den Zähnen. Er hatte keine Lust auf das affektierte Geschwafel der beiden, auf Rainers wohlgemeinte Ratschläge, die immer von oben herab klangen, und Irenes mitleidige Blicke für Marie und abschätzige für ihn. Sie mochten ihn genauso wenig wie er sie, warum verschwanden sie also nicht sofort wieder? Stattdessen brachte der Ober eine Flasche Champagner und vier Gläser.
Arschkarte , dachte Daniel und biss die Zähne zusammen, bis seine Kiefer schmerzten. Er legte seine Hände an die Greifringe, konnte sich aber nicht dazu überwinden, die Räder anzuschieben. Mit Mördern und Totschlägern legte er sich ohne mit der Wimper zu zucken an, aber um seine Schwiegereltern machte er lieber einen Bogen, das war doch verrückt! Es war nicht so, dass er Angst vor ihnen hatte. Allerdings brachten sie ihn allzu leicht in Rage und wenn er wütend war, drückte er sich nicht gerade
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