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Leiden sollst du

Leiden sollst du

Titel: Leiden sollst du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Wulff
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diplomatisch aus, sondern sprach seine Meinung freiheraus aus. Ein waschechter Kölner eben, direkt und ehrlich. Sollte es zum Bruch mit den Basts kommen, befürchtete er, dadurch auch Marie zu verlieren. Denn welche Tochter entschied sich schon gegen ihre Eltern?
    In manchen Momenten glaubte er, dass ihre Eltern es genau darauf anlegten, dass sie ihn absichtlich reizten, damit er explodierte und es zum Streit kam, um Marie vor die Wahl zu stellen: er oder sie. So weit wollte er es aber nicht kommen lassen, besonders nicht jetzt, wo er ihr kaum mehr etwas bieten konnte. Alles ging den Bach runter. Er belastete sie mit seiner körperlichen Beschränktheit und seinen Depressionen, sein Schwanz würde nie wieder in ihr sein und ihr Lust verschaffen, hinzu kamen finanzielle Sorgen und eine ungewisse Zukunft. Seine Karten waren im Moment nicht die besten.
    „Du hattest mir doch bei unserem letzten Telefonat gesagt, wo ihr hingehen wolltet, hattest davon geschwärmt, dass er dich das erste Mal, seit ihr zusammen seid, in ein Gourmetrestaurant ausführt.“ Irenes nasale Stimme bewirkte, dass sich Daniels Nackenhaare aufstellten. Offenbar war Marie ebenso überrascht, ihre Eltern zu sehen, wie er, und hatte gefragt, was sie in die Hummergabel geführt hatte.
    Marie sprach leiser. Er musste lauschen, um sie zu verstehen. „Ich hab dir nur davon erzählt, weil ich mich so sehr darauf gefreut habe. Doch nicht, damit ihr auch kommt.“
    „Stören wir?“ Demonstrativ erhob sich Irene. „Dann können wir auch wieder gehen. Wäre peinlich, aber wir wollen dich nicht in Verlegenheit bringen.“
    „So war das nicht gemeint.“
    Ihre Mutter lächelte triumphierend und setzte sich wieder. „Wir sehen uns kaum noch und da dachten wir, es wäre eine gute Idee, zu viert essen zu gehen.“
    Maries Schweigen sprach Bände.
    „Außerdem könnt ihr euch die Haute Cuisine hier doch gar nicht leisten. Was hat sich Daniel nur bei der Auswahl der Lokalität gedacht?“ Theatralisch schnalzte Irene.
    Daniel ballte seine Hand um die Greifringe. Nur ruhig Blut , redete er sich gut zu.
    „Ihr seid natürlich eingeladen“, sagte Rainer Bast in dieser zur Schau gestellten Großzügigkeit, die sein Gegenüber automatisch schrumpfen ließ und ihn demütigte.
    „Das braucht ihr nicht“, widersprach Marie schwach. Sie wusste genauso gut wie Daniel, dass ihr Budget zurzeit knapp war, da er nur Krankengeld bezog, dass seine berufliche Perspektive eher düster aussah und sie als Gerichts- und Phantomzeichnerin im September nur zwei Mal angefordert worden war. Trotzdem hätte er sich eher die Fußnägel ausgerissen, als Almosen anzunehmen. Von niemandem!
    „Papperlapapp, das ist mit dem Ober bereits geregelt.“ Rainer lehnte sich zurück und selbst diese Bewegung hatte etwas Großkotziges. „Alles geht auf meine goldene Kreditkarte. Such dir aus, auf was du Appetit hast, und nicht was günstig ist.“
    „Arschloch“, sagte Daniel leise. Ein älteres Ehepaar, das in der Nähe saß, hörte ihn und schaute pikiert. Überhaupt fiel es langsam unangenehm auf, dass er nicht weiterfuhr.
    „Danke, du bist wie immer sehr“, Marie machte eine Pause und legte einen Hauch von Spott in das letzte Wort: „gönnerhaft.“
    Daniel lächelte in sich hinein. Offenbar hatte sein Sarkasmus auf sie abgefärbt. Das gefiel ihm.
    „Wo bleibt er denn?“ Ungeduldig tippte Irene mit ihren langen falschen Fingernägeln, die Daniel gerne als Klauen bezeichnete, auf die Tischplatte. „Warum sucht er überhaupt das WC auf? Hat er denn keinen Blasenkatheter?“
    „Mutter!“
    Entsetzt hielt Daniel kurz die Luft an. Als er ausatmete, wurden seine Augen feucht. Er sprach offen über seine Querschnittslähmung, sie war ohnehin offensichtlich, aber es gab Themen, die blieben tabu. Von einer Sekunde auf die andere fühlte er sich mit seinen sechsunddreißig Jahren wie ein pflegebedürftiger Greis.
    „Kein Wort mehr darüber oder ich stehe auf und gehe!“ Empört schob Marie ihren Stuhl zurück, blieb aber sitzen.
    Irene nahm ihren Champagner. „Ich brauche dringend einen Schluck oder auch zwei oder drei. Lasst uns anstoßen.“
    „Wir sollten auf Daniel warten“, wandte Marie ein, nahm aber das Glas, das ihr Vater ihr reichte, an.
    „Das erachte ich als nicht nötig. Zum einen werde ich die Flasche bezahlen und zum anderen sind wir drei eine Familie.“ Rainer stieß leise mit seiner Frau an. „Wir haben jedes Recht darauf, jetzt schon anzustoßen.“
    Daniels

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