Leidenschaft der Nacht - 4
Väter die Reise bereits längere Zeit geplant.« Sie errötete. »Nur James vergaß anscheinend, es mir zu erzählen.«
Vermutlich war James ein verwöhnter, rücksichtsloser Bursche. Diese Bemerkung verkniff Reign sich allerdings, denn die Sache setzte Olivia offensichtlich schon genügend zu. Stattdessen widmete er sich wichtigeren Fragen. »Warum glaubst du, dass sie wissen, was du bist?«
»Sie spielten auf meine >Neigungen< an.«
Reign lachte beinahe. »Neigungen? Das kann alles Mögliche sein, angefangen von sexuellen Vorlieben bis hin zu einem übertriebenen Appetit auf Eiscreme.«
Olivia schenkte ihm »den Blick« - jenen, mit dem alle Ehefrauen ihre Ehemänner bedenken, wenn besagte Ehemänner einen Scherz machen, den niemand außer ihnen selbst amüsant findet -zumindest der Einschätzung der Ehefrau nach. »Sie schrieben, dass sie verstünden, wie schwierig es für mich gewesen sein müsste, James eine Mutter zu sein, berücksichtigte man meine Neigungen. Was sonst könnten sie gemeint haben, Reign? Ich führe ein vollkommen normales Leben - oder wenigstens so normal, wie ich es den Umständen entsprechend kann.«
Sie hatte natürlich recht, aber es störte ihn maßlos, dass jemand so leicht ihre Vampirnatur entdeckt hatte. Er könnte ihr Vorhaltungen machen, dass sie vorsichtiger sein müsste, oder er könnte James verdächtigen, es ausgeplaudert zu haben - freiwillig oder unter Zwang. Er entschied sich für Letzteres. »Stand in der Nachricht, was sie fordern?«
Wieder wandte sie ihr Gesicht ab. Und in diesem Moment wusste er, dass mehr hinter der Geschichte steckte, als sie verriet. »Nein, nur dass ich nach Schottland kommen und weitere Instruktionen abwarten soll. Aber ich glaube nicht, dass sie James einfach wieder freilassen. Ich denke, sie werden etwas von mir wollen.«
Selbstverständlich wollten sie etwas. Darum ging es schließlich bei Entführungen: Man wollte die Oberhand gewinnen und jemanden zwingen, das herzugeben, was man wollte. »Welche Rolle spiele ich in alldem?«
»Ich kann James nicht allein finden und befreien. Sie werden damit rechnen, dass ich etwas versuche.«
»Aber sie rechnen nicht mit mir?« Für wie leichtgläubig hielt sie ihn?
»Wir sind schon seit lange vor der Geburt von James getrennt. Wie sollten sie? Ich brauche deine Hilfe! Wer auch immer James entführt hat, muss ihm gegenüber wie ein Freund aufgetreten sein, jemand aus der feinen Gesellschaft. Und du hast doch gesellschaftliche Beziehungen in Edinburgh, nicht wahr?«
»Ja, habe ich. « Erst im Frühjahr war er dort gewesen, und dass sie daran gedacht hatte, linderte sein Misstrauen ein wenig, wenn auch nicht viel.
»Wir können die richtigen Leute fragen, herausfinden, mit wem James Umgang pflegte, ehe er entführt wurde. Du bekommst Zutritt zu Gesellschaften und Soireen, auf denen seine Freunde sein werden, kurz: zu allen Veranstaltungen, die mir nicht zugänglich wären.«
Mit anderen Worten: Er sollte sich nützlich machen. Ihm war von Anfang an klar gewesen, dass sie ihn ausnützen wollte, was sollte also dieser alberne Schmerz in seiner Brust? »Denkst du, James hat ihnen erzählt, dass du ein Vampir bist?«
Ihr Gesichtsausdruck verriet ihren Schrecken. Eindeutig war ihr dieser Gedanke noch gar nicht gekommen. »Das würde er nie tun! «
Unter den richtigen Umständen taten Menschen so ziemlich alles, was er ihr nicht erwidern würde. Sie machte sich bereits hinreichend Sorgen um den jungen, ohne dass er ihr verkündete, James könnte gefoltert worden sein oder sie freiwillig an seine Entführer verraten haben. Weder das eine noch das andere würde ihn angesichts dessen wundern, wozu Menschen fähig waren.
»Irgendwie«, fuhr sie fort, »hat irgendjemand entdeckt, was ich bin, und derjenige hat James entführt und benutzt ihn, um mich zu erpressen. Aber damit dürfen sie nicht durchkommen! «
Was sie sagte, ergab Sinn. Dennoch stimmte etwas nicht.
»Was erzählst du mir nicht?« Er musste fast lachen. Was erwartete er denn? Dass sie plötzlich zusammenbrach und alles gestand?
»Nichts.« Sie log. Viel zu entschlossen begegnete sie seinem Blick, als dass sie nicht lügen konnte. Er hatte keine Ahnung, warum, aber eines wusste er: Ihre Verzweiflung war nicht gespielt. Was für ein Motiv sie auch haben mochte: Ihr ging es darum, dass er sie nach Schottland begleitete. Und sosehr er ihr misstraute, er würde sie nicht im Stich lassen. Erst recht würde er nicht erlauben, dass sie allein reiste
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