Leidenschaft der Nacht - 4
die vermisst wurden.«
Aha! Reign merkte auf. »Im Sinne von >tot und es gibt keine Leiche< oder eher
>Meine Güte, wo haben wir unseren Harold gelassen?«
Clarke lachte leise. »Nein, mehr im Sinne von >nachts verschwunden und an einem merkwürdigen Ort aufgewacht, ohne sich erinnern zu können, wie sie dorthin gelangten<.«
»Sie denken, Olivia hat sich an ihnen genährt?«
»Ja, genau das denke ich.«
»Und ausschließlich junge Männer?« Schwang da Eifersucht in seiner Frage mit?
Clarke sah entschieden zu klug für einen Sterblichen aus. »Ich dachte, ich horche mich einmal um, ob die jungen Herren irgendeine Gemeinsamkeit aufwiesen. Und wie sich herausstellte, handelte es sich mehrheitlich um etwas verwegen aussehende junge Männer mit dunklem oder schwarzem Haar und grauen oder grünen Augen.
Würden sie nicht sämtlichst noch unter den Lebenden weilen, hätte ich behauptet, dass sie ihre Phantasien über Sie auslebt, Sir.«
Reign wandte den Blick ab. Seine Brust wurde zu eng, als dass er sprechen konnte.
Und selbst wenn er gekonnt hätte, wäre er nicht imstande gewesen, dieses Gefühl zu erklären. Ein Blutaustausch zwischen Liebenden war etwas außerordentlich Intimes.
Olivia und er hatten nie die Chance gehabt, eine solche Erfahrung zu teilen. Zwar wusste er, wie es sich anfühlte, sie zu beißen, doch der vorzügliche Genuss, von ihr gebissen zu werden, war ihm bisher nicht vergönnt gewesen. Oft dachte er daran, wie es wäre, wenn sie ihre Zähne in ihn vergrub, statt nur das Blut zu trinken, das er ihr anbot.
Erst in Mrs. Willets Salon hatte sie ihm das Blut von den Lippen geleckt, als sie sich nach dreißig Jahren erstmals wieder küssten. Und von diesem Moment an hatte er sie mehr begehrt denn je. Sie wollte ihn ebenfalls. Natürlich war Sex ohnehin nie das Problem zwischen ihnen gewesen. Vielmehr hatte er dazu geführt, dass sie sich ineinander verliebten.
Waren Olivias Jagdvorlieben Rachephantasien, wie Clarke vermutete, oder gänzlich andere? Und falls sie Wort hielt und ihm ihren Körper gab, könnte er dann ihr Herz zurückgewinnen? Wollte er?
»Ach, wir haben übrigens Nachricht aus dem Krankenhaus«, bemerkte sein Freund mit finsterer Miene. »Der Priester, Pater Abberley, ist tot.«
»Tot?« Gott, wie sollte er das Olivia beibringen? »Ist das alles ? «
Clarke betrachtete ihn mit diesem Blick, der nie verriet, was in ihm vorgehen mochte. »Fürs Erste. Soll ich weiter nachforschen, solange Sie verreist sind?«
»Ja, und graben Sie so tief, wie Sie müssen - vor allem schnell. Ich möchte wissen, womit ich es aufnehmen werde.«
Wort- und Zeitwahl hätten nicht passender sein können, denn in exakt diesem Moment klopfte es an der Tür, und seine Haushälterin informierte ihn, dass Mrs.
Gavin eingetroffen wäre.
»Wir werden vor Morgengrauen im Edinburgher Haus sein«, bemerkte er überflüssigerweise, als er aufstand. Clarke war sein Zeitplan vertraut, hatte er doch alles arrangiert. »Sie wissen, wie Sie mich erreichen.«
Sein Freund erhob sich gleichfalls. »Sie werden doch vorsichtig sein, nicht wahr?«
Reign schnaubte spöttisch. »Selbstverständlich!«
»Nein, ich meine es ernst«, beharrte sein Freund so nachdrücklich, wie Reign ihn lange nicht mehr erlebt hatte. »Versprechen Sie mir, ihr nicht zu vertrauen - nicht, ehe ich beweisen kann, dass sie es verdient.«
Clarkes Sorge war rührend, doch unnötig. Reign beabsichtigte nicht, unvorsichtig zu sein. »Ich verspreche es. Falls ich etwas brauche, melde ich mich. Schicken Sie mir alles, was Sie an Informationen auftreiben, schnellstmöglich!«
Sie schüttelten sich die Hände, und Reign ging hinaus, wobei er versuchte, den Blick des anderen zu ignorieren. Also wirklich, bisweilen war Clarke schlimmer als eine Ehefrau!
In der Diele wartete Olivia auf ihn. Die Frau, die er sehen, berühren, vielleicht sogar schmecken, der er jedoch nicht trauen konnte.
Nicht einmal, wenn er gewollt hätte.
Kapitel 5
Haddington, Schottland
Reginald Dashbrooke wandte sich vom Fenster ab, das einen Ausblick auf die sonnenbeschienene Landschaft bot, und seufzte. »Mir ist langweilig. Wieso durfte Binchley nach London zurück und ich nicht?«
Sein Vater, ein kahlköpfiger, untersetzter Mann mit dem Gesicht einer Bulldogge - ein Glück, dass Reggie seiner Mutter ähnelte! -, nahm mit seinen Wurstfingern die angekaute Zigarre aus dem Mund. »Weil unsere Verbindung in jüngster Zeit so viele Leute eingebüßt hat, dass wir
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