Leidenschaft der Nacht - 4
Geschäftsmann.«
»Ich bin ein Geschäftsmann«, erwiderte er gelassen und zog seinen Gehrock aus.
»Ich hatte sechshundert Jahre Zeit, alles über mein Geschäft zu lernen, und dieses Wissen habe ich zu meinem Vorteil genutzt. «
»ja, das möchte ich wetten! « Was ärgerte sie mehr: dass er sich so nonchalant gab oder dass er in seinem Hemd verteufelt gut aussah? Nein, am meisten ärgerte sie, dass sie abermals feststellte, wie schön er war, je weniger Kleidung er trug.
Und er besaß auch noch die Dreistigkeit zu lachen! »Kein Grund, schnippisch zu sein, Liv! Alles, was ich besitze, gehört rechtmäßig auch dir.«
Diese Bemerkung traf sie wie ein Hieb vor die Brust. »Wie bitte?«
Ach, er wirkte hochzufrieden mit sich! Seine Augen strahlten, und er versuchte nicht einmal, sich das Lächeln zu verkneifen. Vielmehr blitzten seine weißen Zähne im Lampenschein. »Dein Name steht auf all meinen Besitztümern. Sollte ich es eines Tages irgendwie schaffen zu sterben, wird alles, was ich habe, auf dich übergehen.«
Vor Schreck war Olivia für einen Moment sprachlos. »Warum sagst du mir das? Hast du keine Angst, ich könnte dich töten, um an dein Vermögen zu kommen?«
Er schüttelte den Kopf, wobei ihm eine schwarze Locke in die Stirn fiel. »Abgesehen davon, dass ich annehme, dass du nichts von dem möchtest, was mir gehört, halte ich dich nicht für eine Mörderin.«
Was wusste er schon? Sie konnte ihn durchaus in den Tod führen, indem sie ihn nach Schottland lockte. Bei diesem Gedanken wurde ihr die Brust merkwürdig eng.
»Ich habe dich bereits ein Mal fast umgebracht.«
»Hättest du es wirklich gewollt, wäre es dir wohl auch gelungen. Aber vielleicht ist das auch Wunschdenken meinerseits.«
»Warum?« Sie konnte weder sein Denken noch sein Lächeln interpretieren. »Warum solltest du mich zu deiner Erbin machen wollen?«
»Du bist meine Frau.«
»Reign, wir sind länger getrennt, als ich eine Sterbliche war! Gewiss gibt es jemanden, den du lieber von dem profitieren lassen möchtest, was du an Reichtümern angesammelt hast. jemanden, dem deine Großzügigkeit zugute kommen kann.«
Plötzlich veränderte sein Gesichtsausdruck sich. jede Spur von Humor war fort, einer Ehrlichkeit und Offenheit gewichen, bei der Olivia sich innerlich krümmte. »Du bist noch meine Frau, und was mich betrifft, wirst du es auch immer bleiben. Alles, was ich habe, ist dein - im Leben wie im Tod. «
Während Olivias Magen sich unter dem Gewicht seiner Worte zusammenkrampfte, fuhr der Zug mit einem Ruck an - in Richtung Norden, nach Schottland. Sie stolperte und fiel gegen Reign, so dass sie beide an die Wand kippten. Olivia hob den Kopf und sah ihn an. Obgleich sie sich vor dem fürchtete, was sie in seinen Augen erkennen würde, musste sie es wissen. Und da war es.
Für ihren Verrat an ihm würde sie in der Hölle schmoren. Wahrscheinlich würden sie gemeinsam dort landen.
Reigns Finger umfassten ihre Oberarme warm und fest. Er konnte sie zerbrechen wie einen Zweig, und dennoch fürchtete sie nicht um ihr Leben. Nein, sie fürchtete um ganz anderes, wie etwa ihre Ehre und ihre Seele - nicht zu vergessen ihr Herz.
»Du hast mich stets aus dem Gleichgewicht gebracht«, murmelte er. Das Vibrieren seiner Stimme übertrug sich durch die Kleiderschichten auf ihren Körper.
Olivia öffnete den Mund. Sie war nicht sicher, was sie sagen sollte, aber sie musste irgendetwas entgegnen, das sie aus diesem Traum weckte. Leider kam kein Ton über ihre Lippen.
»Sprachlos«, bemerkte er mit einem verführerischen Lächeln und ließ sie los. »Wer hätte das gedacht?«
Inzwischen bewegte der Zug sich ruhiger und legte langsam an Tempo zu. Olivia könnte auf Abstand gehen, diesem Wahnsinn ein Ende machen, der in ihrem Innern tobte, aber das tat sie nicht. Stattdessen streckte sie eine Hand aus und strich mit ihren Fingerspitzen über die zarten Linien in seinem Augenwinkel, die sich zur Schläfe und zum Wangenknochen hin auffächerten.
»Du hast immer geklagt, sie würden dich älter machen«, flüsterte sie, während sie jede einzelne feine Linie nachmalte. »Aber mir gefiel, wie sie sich vertieften, wenn du gelächelt hast.« Zurück! Geh auf Abstand, ehe du noch eine Dummheit begehst, wie dich neu in ihn zu verlieben!
Seine Augen hatten die Farbe von Gewitterwolken, dunkel und von derselben Unruhe erfüllt. Olivia hatte sich bereit erklärt, das Bett mit ihm zu teilen, sobald sie in Schottland waren, und noch waren
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