Leidenschaft der Nacht - 4
junge, ich würde sogar dich umbringen! «
»Du hast deinen eigenen Waggon?«, fragte Olivia, die sich ehrfürchtig, aber auch ein bisschen spöttisch in dem großen Wagen umsah. Ihr war natürlich bewusst, dass sie vor allem deswegen etwas spöttisch reagierte, weil sie sich innewurde, wie klein und bedeutungslos sie sich neben Reign ausnahm.
»Ich bin gezwungen, viel zu reisen«, antwortete er gelassen. Es war eine simple Erklärung, keine Rechtfertigung. Offensichtlich hielt er es für unnötig, mehr zu sagen.
Immerhin war sie diejenige gewesen, die betont hatte, dass sie weit länger getrennt als je zusammen gewesen waren.
Auch sie reiste viel, besaß jedoch keinen eigenen Waggon, was ihr auch übertrieben extravagant erschien - erst recht in dieser Ausstattung. Der Wagen verfügte sogar über einen abgetrennten Schlafbereich mitsamt großem Bett, Schrank, Kommode sowie angeschlossenem Bad, in dem neben Toilette und Waschbecken eine Badewanne auf wuchtigen Klauenfüßen stand. Im übrigen Waggon gab es einen Essbereich sowie ein Sofa und Sessel in einem dunklen Blau, das hervorragend zu der Kirschholztäfelung der Wände passte. Gegenüber der Sitzecke befand sich eine kleine Bar, und Olivia schätzte, dass sie eine erstklassige Getränkeauswahl bot.
Alle Möbel waren im Boden verschraubt, um den Zugbewegungen standzuhalten.
Schwere golden-, blau- und weinrotgemusterte Vorhänge zierten die Fenster und sperrten bei Bedarf das Tageslicht aus. Die polierten Messingwandleuchter mit Kristallglas brannten mit Duftöl. Ein Aubusson-Teppich im gleichen Muster wie die Vorhänge federte jeden ihrer Schritte ab. Wenn das nicht opulent war …
Und sie wollte auch so einen Waggon, verdammt!
Wenn sie von einem Ort zum nächsten wechselte, ließ sie einfach die Pacht auslaufen und verschwand. Nie kaufte sie sich ein Haus, nie schlug sie irgendwo Wurzeln. Es kam ihr schlicht sinnlos vor. Offensichtlich teilte Reign ihre Ansicht nicht, und das nahm sie ihm übel. Überhaupt fiel es ihr leicht, ihm alles Erdenkliche zu verübeln.
Ganz besonders, dass sie ihn noch schmecken konnte, obgleich Nächte vergangen waren, seit sie sich geküsst hatten. Trotzdem haftete er an ihren Lippen und ihrer Zunge, als hätte er sie eben gerade erst eingenommen. Es war bloß ein Tropfen gewesen. Nur ein winziger Tropfen. Und sie hatte sich seither an kräftigen jungen Männern genährt, die ihr mehr von ihrer salzigen Süße gaben als Reign jemals.
Nun aber stand sie hier mit ihm in dieser … Kiste und war sich seines würzigen, leicht süßlichen Duftes ebenso unangenehm bewusst wie der sanften Wärme seines Körpers und seiner überwältigenden Präsenz.
Dieselbe Präsenz, die sie vor Jahren im Sturm erobert, sie aus ihrem Witwendasein geholt und sämtliche Erinnerungen an ihren ersten Mann, selbst die guten, überschattet hatte. Regelmäßig hatte sie seinetwegen einen Skandal riskiert, ohne sich im Geringsten darum zu scheren.
Reign hatte gleich, nachdem sie eingestiegen waren, die Tür hinter ihnen geschlossen, die er nun zusätzlich von innen verriegelte. Also war sie mit ihm gefangen, und obgleich ihr Körper frohlockte, weil er mit dem einen Mann eingesperrt war, bei dessen Anblick er schon erschauerte, sträubte ihr Verstand sich wie ein Wildtier im Käfig.
Ihr Gepäck hatte einer von Reigns Dienern hereingebracht und im Schlafzimmer aufgestapelt. Die Reise war kurz genug, dass Olivia nichts auspacken musste, denn sie würden binnen Stunden in Edinburgh sein. Dennoch war es seltsam, ihre Sachen so dicht neben Reigns zu sehen, als gehörten sie zusammen. Und - merkwürdig, wie es war - sie schienen tatsächlich in Form und Farbe aufeinander abgestimmt. Auch das störte Olivia, erinnerte es sie doch daran, dass sie einst geglaubt hatte, sie beide würden perfekt zusammenpassen.
»Ein Haus in einem der vornehmsten Viertel von London.« Sie streifte ihre Handschuhe ab und warf sie auf das Sofa. »Ein Haus in Schottland und ein privater Eisenbahnwaggon, um dorthin zu kommen. Hast du noch mehr feste Adressen? Eine Wohnung in Paris vielleicht oder eine Villa in Spanien?«
Ihr Sarkasmus brachte ihn zum Lächeln. »Ich besitze eine Handvoll Immobilien in unterschiedlichen Gegenden Europas sowie eine in New York City. Wenn du möchtest, kann ich dir die Schlüssel für die Pariser Wohnung geben.«
Das war verlockend. »Was für eine Extravaganz!«, äußerte sie ein wenig scherzhaft.
»Und ich dachte, du wärst ein gewöhnlicher
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