Leidenschaft der Nacht - 4
Erscheinung wie sein Wesen überwältigend. Olivia hingegen hatte nach einem Blick entschieden, dass sie ihn wollte. In ihrem ganzen Leben war sie nie so kühn gewesen wie bei ihm. Er bat sie um einen Tanz, und in derselben Nacht nahm sie ihn mit in ihr Bett, wo sie ihn auch zu behalten gedachte.
»Was hast du je in mir gesehen?«, fragte sie, während er die Wasserhähne abdrehte und zu ihr in die Wanne stieg. Einiges von dem Wasser schwappte über den Rand auf den Boden.
Die Arme locker auf die Wannenseiten gelehnt, sah er sie ein wenig träge an.
»Diese Frage stelle ich mir selbst fast täglich.«
Hätte da nicht diese Note von Amüsiertheit und Zärtlichkeit in seiner Stimme gelegen, hätte sie wohl kaum vor Freude rote Wangen bekommen. Er sagte es, als läge die Antwort auf der Hand, und das mit einer Vertrautheit, dass Olivia das Herz gegen die Rippen schlug.
»Du warst anders als alle Frauen, die ich kannte«, erklärte er etwas ernster. »Zum ersten Mal in meinem Leben wusste ich, dass ich einen Menschen gefunden hatte, mit dem die Ewigkeit an jedem verdammten Tag faszinierend würde.«
Sie blinzelte, weil ihre Augen sich unangenehm heiß anfühlten. »Einer solchen Erwartung konnte ich gar nicht gerecht werden. «
»Noch hast du sie nicht enttäuscht.«
»Du hast mich dreißig Jahre lang nicht gesehen«, erwiderte sie trocken.
Reign lächelte traurig. »Und es verging kein Tag, an dem ich nicht an dich dachte.«
Hilflos und unsagbar beschämt sah Olivia ihn an. »Du hast mich nicht einmal gefragt, warum ich letzte Nacht getan habe, was ich tat.«
Reigns Lächeln erstarb. »Du wolltest die Entführer treffen - Dashbrooke - allein.«
Ihr Hals war unangenehm eng, und Olivia senkte den Blick. »Ja.«
»Hat er etwas über James gesagt?«
Sie schloss die Augen, weil eine Angstwelle über sie hereinbrach. Geliebter James!
Was würde nun mit ihm geschehen? Hatten ihre Drohungen gegen Dashbrooke gewirkt? Lebte ihr Neffe überhaupt noch?
»Leider nicht viel.«
»Hab keine Angst, Liv! Ich bin sicher, dass James nichts passiert.«
Als sie wieder aufsah, war er so dicht zu ihr gebeugt, dass sie das silbergraue Muster seiner Augen erkennen konnte. »Es gibt etwas, das ich dir sagen muss. Und danach willst du vielleicht noch einmal Überlegen, ob ich deine Erwartungen nicht enttäuscht habe.«
Er neigte den Kopf ein wenig, wobei ihr Blick auf seinen Hals fiel und prompt ihr Kiefer kribbelte. Sie war hungrig, und er duftete so gut; sie war schwach und er so stark. Sie hatte sich schuldig gemacht, und Reign war ihre einzige Rettung.
»Was?«
»Es geht um James«, flüsterte sie, »um das Lösegeld, das Dashbrooke verlangte.«
Vollkommen ruhig nahm er einen Waschlappen und ein Stück Seife vom Wannenrand, tauchte beides ins Wasser und schäumte das Tuch ein. » Sprich weiter!
«
Olivia holte tief Luft. Dies war nicht der Zeitpunkt, um sich von ihrer Angst einschüchtern zu lassen. Sie hatte sich selbst in diese Situation gebracht, und nun musste sie dafür geradestehen. Egal, was als Nächstes geschah, sie würde ihre Seele relativ reingewaschen haben - es sei denn, Dashbrooke brachte James um. In diesem Fall könnte sie ebenso gut selbst tot sein.
»Er wollte dich.« Nach diesem ersten Geständnis sprudelte alles aus ihr heraus.
»Ich wusste zu der Zeit nicht, dass er es war, aber er wies mich an, zu dir zu gehen.
Ich wollte nicht, doch ich wusste nicht, was sie mit James machen würden, und ich war bereit, alles zu tun, um ihn zu retten. Ich sollte dich nach Schottland bringen und gegen ihn austauschen. «
Reign legte die Seife beiseite und sah Olivia an. »Ich weiß.«
Vor lauter Schreck kam es ihr vor, als wäre das Wasser plötzlich zu Eis geworden.
»Du weißt es?«
Reign nahm ihre Hand und zog den Arm hoch, seifte ihn ein und wusch das Blut und den Schmutz der letzten Nacht ab. »Clarke hat es mir erzählt, als er ankam.
Anscheinend hat er einen kleinen Ausflug nach Clovelly gemacht und das erste Schreiben der Entführer in deinem Cottage gefunden. Du solltest solche Sachen lieber verbrennen, Liv.«
Sprachlos öffnete Olivia den Mund. Es gab so vieles, das sie sagen, so vieles, das sie fragen wollte. »Du hast kein Wort erwähnt! «
Reign seifte ihren anderen Arm ein. »Ich wollte abwarten, ob du es mir von dir aus erzählst.«
Und nun, da sie es getan hatte, war es zu spät. »Ich habe dich mit einer Droge betäubt.«
Er nickte. »Sie schaltete mich für gute zwanzig Minuten aus.
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