Leidenschaft des Augenblicks
ist am süßesten, wenn sie ganz allein auf kalter Berechnung basiert. So ist das wenigstens bei mir. Das hat nichts mit Leidenschaft zu tun.«
»Du meinst, es sei etwas rein Geschäftliches?«
Hatch nickte langsam. »So könnte man es sagen. Ja. Etwas rein Geschäftliches.«
»Das glaubst du doch selber nicht.« Sie stand auf und machte sich daran, ins Schlafzimmer zurückzugehen. »Du hast sie geliebt, und als du sie verloren hattest, hat es dir das Herz gebrochen. Und du hast alles daran gesetzt, dich zu rächen.« Unter der Tür hielt sie inne. »Ich möchte dich etwas fragen, Hatch: Wirst du jemals wieder ein ähnliches Risiko eingehen? Wirst du dir jemals erlauben, wieder jemanden zu lieben? Oder ist eine tiefe, vertrauensvolle, langfristige Bindung, auch Ehe genannt, alles, was ich jemals von dir erwarten darf?«
»Jessie.« Seine Stimme klang warnend.
»Ja?« Sie drehte sich wieder zu ihm um.
»Du weißt, daß es viel mehr ist als das.«
»Nein«, sagte sie. »Das weiß ich nicht. Manchmal träume ich davon. Aber dann wieder wache ich mitten in der Nacht auf und bekomme furchtbare Angst. Weil ich mir eben nicht sicher bin, weißt du. Ich liebe dich. Aber ich weiß nicht, ob du mich auch liebst.«
»Verdammt, Jessie...«
»Gute Nacht, Hatch.«
Sie ging zurück ins Schlafzimmer und ins Bett, wo sie sich zusammenrollte.
»Jessie.«
Sie drehte sich gerade weit genug um, bis sie sehen konnte, daß er unter der Tür stand. Wortlos beobachtete sie, wie er auf sie zukam. Seine Finger fummelten am Verschluß seiner Hose.
»Du weißt, daß es viel mehr ist als das«, wiederholte Hatch noch einmal und schlüpfte neben sie unter die Decke.
»Nein.«
»Doch.« Er zog sie in seine Arme und nahm ihren Mund mit einem tiefen Kuß in Besitz. »Doch, verdammt noch mal. Es ist weiß Gott verdammt sehr viel mehr als das.«
»Ja«, flüsterte sie. Es mußte einfach mehr sein als das. Sie baute ihre ganze Zukunft auf diese Hoffnung. Würde er ihr eines Tages sagen können, daß er sie liebte?
17. Kapitel
Das Erfolgserlebnis, das ein zum Abschluß gebrachter, gut gelungener Auftrag vermittelte, war ungeheuer - und für Jessie darüber hinaus etwas ganz Neues. Überaus befriedigt blickte sie auf den säuberlich getippten fünfseitigen Bericht, der vor ihr auf dem Schreibtisch lag. Es war ein richtiggehendes Kunstwerk, und Mrs. Valentine würde bestimmt mächtig beeindruckt sein.
Um den Bericht auch formell so ansprechend wie möglich zu gestalten, hatte Jessie ihn mit Hilfe des Textverarbeitungsprogramms von Alex' Computer geschrieben. Rechter und linker Rand waren gleichmäßig gesetzt, die Rechtschreibung geprüft und der Stil geschäftsmäßig, aber flüssig.
Auf dem Weg ins Büro war Jessie an einem Schreibwarenladen vorbeigefahren und hatte, um dem Ganzen einen noch professionelleren Anstrich zu verleihen, einen farbigen Aktenordner erstanden, in den sie nun die Blätter einheftete.
Valentine Consultations stand ganz zweifellos an einem Wendepunkt. Für die »Übersinnliche Beraterfirma« war eine neue Ara angebrochen. Alle Morgenzeitungen hatten etwas über den DEL-Fall geschrieben, und Jessie wußte, daß das
Telephon jeden Augenblick anfangen würde, wie verrückt zu klingeln.
Erwartungsvoll blickte sie auf, da sie bekannte Schritte auf der Treppe hörte. Einen Augenblick später wurde die Bürotür geöffnet, und Mrs. Valentine trat ein. Sie trug wieder ihre übliche Arbeitskleidung: dunkelgrünen Turban, eine weite, weichfallende grüngemusterte Bluse und einen langen grünen Rock, der bis zu den Knöcheln reichte. Ihren Hals schmückte das übliche Sammelsurium von Ketten, von denen einige über ihren üppigen Busen baumelten und fröhlich klimperten, als sie durch die Tür kam. Sie hatte eine Zeitung unter dem Arm.
»Mrs. Valentine, Sie sehen großartig aus. Wie geht es Ihnen?«
»Gut, meine Liebe. Recht gut. Ich kann wieder sehen, wenn Sie wissen, was ich meine. Ich bin ja so erleichtert.«
Jessie lächelte glücklich. »Das freut mich wirklich sehr, Mrs. Valentine. Gehen Sie schon mal in Ihr Büro. Der Tee müßte jeden Moment fertig sein. Ich bringe ihn dann gleich rein.«
»Danke, meine Liebe. Ich könnte jetzt wirklich eine Tasse gebrauchen.« Mrs. Valentine faltete die Zeitung auseinander und ging in ihr Büro.
Jessie stand auf und füllte ein paar Löffel Tee in die Kanne. Munter vor sich hinsummend, griff sie nach dem Wasserkocher, in dem es bereits brodelte. Solange der Tee zog,
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