Leidenschaft des Augenblicks
ihr Mund wurde zu einem schmalen Strich. »Ja, natürlich will ich, daß Benedict Fasteners in der Familie bleibt. Das zukünftige Potential der Firma ist enorm. Aber sie hätte an den rechtmäßigen Erben fallen sollen, nicht an dich.«
»Den rechtmäßigen Erben?« Abgestoßen von der Wut ihrer normalerweise immer unglaublich disziplinierten Tante, trat Jessie instinktiv einen Schritt zurück. »Wovon zum Teufel redest du?«
»Ich rede von David, verdammt noch mal. David sollte Benedict Fasteners erben. Das ist das mindeste, was Vincent mir schuldet.«
Glenna wirbelte herum und ging raschen Schrittes zur Haustür. Das Glas der Tür klirrte, als sie hinter ihr ins Schloß fiel.
Jessie spürte ihre Mutter endlich in einem schicken Neubau-Penthouse auf, wo Lilian einen Schwarm von Handwerkern beaufsichtigte.
»Nein, nein, die Deckenstrahler sollen bis zur Sitzecke weitergeführt werden. Das kleinere Zimmer da hinten ist als Bibliothek gedacht.«
Lilian blickte stirnrunzelnd auf eine Blaupause, während der Elektriker geduldig wartete. »Haben Sie die Küchenleuchten mitgebracht?«
»Ich habe sie unten im Wagen«, antwortete der Mann, »und hole sie rauf, sobald ich diesen verdammten Lichtstrahlersatz an der Decke angebracht habe.«
»In Ordnung. Aber bitte denken Sie daran, mir die Küchenleuchten zu zeigen, bevor Sie sie installieren.«
»Okay.«
Lilian kam zu Jessie herüber, behielt aber den Elektriker im Auge, der anfing, sein Werkzeug auszupacken. Aus einem Zimmer drang der Geruch frischer Farbe. »Diese Leute muß man unentwegt im Auge behalten. Wenn man ihnen nur eine Sekunde lang den Rücken kehrt, bringen sie garantiert die falschen Lampen an oder tünchen eine Wand weiß, obwohl man ausdrücklich angeordnet hat, sie taupe zu streichen. Und dann versuchen sie einen zu überzeugen, daß das gar nicht so schlimm wäre.«
»Mom, ich muß mit dir reden.«
»Ich habe mir doch gleich gedacht, daß du nicht hergekommen bist, weil du auf einmal deine Begeisterung für das Studium der Innenarchitektur entdeckt hast. Was ist los? Machst du dir jetzt schon Gedanken wegen der Hochzeit? Ich habe dir doch versprochen, daß Connie und ich uns darum kümmern. Wir haben an Korallrot und Creme für die Deko gedacht. Wie findest du das?«
»Ich finde, das klingt gut, solange ihr nicht vorhabt, Hatch in einen korallroten Smoking zu stecken. Hör zu, Mom, das ist wirklich ernst. Ich hatte heute nachmittag eine ausgesprochen seltsame Unterhaltung mit Tante Glenna.«
»Stimmt das da?« Lilian sah den Elektriker fragend an. »Bitte decken Sie unbedingt den Boden ab, bevor Sie anfangen zu bohren. Dieser Holzboden ist ganz neu und hat meinen Kunden ein Vermögen gekostet. Ich möchte nicht, daß er irgendwas abbekommt.«
Gehorsam begann der Elektriker, Abdeckfolie auszubreiten. Lilian schaute Jessie an.
»Was ist mit Glenna?«
»Sie hat mich im Büro besucht und war ausgesprochen sauer.«
»Das ist tatsächlich ungewöhnlich für Glenna. Was wollte sie denn?«
»Ich hatte das Gefühl, sie wollte, daß ich die Hochzeit abblase«, antwortete Jessie ohne weitere Umschweife.
Lilian war auf einmal ganz Ohr. »Hat sie denn den Verstand verloren?«
»Das habe ich zuerst auch gedacht. Aber jetzt glaube ich, daß sie einfach nur verdammt wütend ist.«
»Aber wieso denn? Die ganze Familie wollte doch diese Heirat.«
»Tante Glenna sagt, Dad hätte David als Alleinerben einsetzen sollen.«
Es dauerte eine ganze Weile, bis Lilian antwortete. Sie beobachtete den Elektriker, doch es war ganz offensichtlich, daß sie nicht nur an Deckenstrahler dachte. »Interessant. David hat nicht das geringste Talent, ein so großes Unternehmen wie Benedict zu leiten.«
»Das habe ich genausowenig.«
»Was nicht ganz stimmt. Immerhin besitzt du die absolut brillante Fähigkeit, Sam Hatchard zu fesseln, und der ist der beste Mann dafür.«
»Danke, Mom. Du bist wirklich unglaublich mitfühlend. Warum sagst du nicht gleich, daß Dad mich dazu benutzt hat, sich den Sohn zu kaufen, den er schon immer wollte? Einen, der aus Benedict Fasteners das größte Unternehmen der Branche machen kann?«
»Jetzt bist du absolut unlogisch, Liebes.«
»Bist du denn noch nie auf den Gedanken gekommen, daß Hatch mich nur deshalb heiraten will, um damit die Kontrolle über die Firma zu erhalten?«
»Nein, bestimmt nicht. Die Firma ist für alle Zeiten an dich gebunden, und du bist an die Familie gebunden. Indem er dich heiratet, heiratet er
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