Leidenschaft des Augenblicks
die Organisation einfließt und wo es hingeht. Sobald du das weißt, kennst du die Struktur des ganzen Ladens.«
Jessie starrte ihn verblüfft an. »Hatch, das ist brillant! Einfach genial. Warum ist mir das nicht selber eingefallen? Komm rein, mach dir einen Drink. Fühl dich wie zu Hause. Wir haben eine Menge zu besprechen.«
Ohne Hatchs überraschten Blick zu beachten, packte sie das Ende seiner langweiligen Krawatte und zog ihn daran in ihre Wohnung.
Hatch leistete keinen nennenswerten Widerstand.
4. Kapitel
Aus Richtung Küche kam ein zischendes Geräusch, und Jessie ließ Hatchs Krawatte los. »O mein Gott, das Wasser kocht.« Sie wirbelte herum und eilte zurück in die Küche.
Hatch folgte ihr etwas langsamer.
»Auf dem Tisch steht eine Flasche Wein«, sagte Jessie über ihre Schulter, während sie die Schachtel mit den Ravioli nahm. »Mach sie doch bitte auf. Der Korkenzieher ist in der linken Schublade. Und dann rede endlich.«
»Worüber soll ich reden?« Hatch warf sein Sakko über einen Stuhl und griff nach dem Wein.
»Über das Geld natürlich.«
»Hattest du etwa vor, die ganze Schachtel Ravioli allein zu essen?« Er begann den Korken herauszuziehen; seine Hände arbeiteten rasch und geschickt.
»Ja. Aber wenn du jetzt schon mal hier bist, kannst du was davon abhaben.« Sie schüttete die Ravioli in das kochende Wasser. »Ich habe noch etwas Fladenbrot und Salat, das sollte für uns beide reichen. Also, wie soll ich das mit dem Geld nun herausfinden?«
»Wenn du nicht ein bißchen subtiler vorgehst, muß ich unweigerlich den Eindruck gewinnen, daß du mich nur deshalb zum Essen einlädst, weil du vorhast, mich auszuhorchen.« Der Korken kam mit einem leisen plop heraus. »Wo sind die Gläser?«
»Rechts vom Spülbecken.« Jessie konzentrierte sich darauf, die Ravioli umzurühren. Plötzlich kam ihr die Küche sehr warm vor; Hatch schien allen freien Raum einzunehmen. Wie sie befürchtet hatte, stieg das Gefühl der Unbeholfenheit in ihr auf, und sie ermahnte sich selbst zur Vorsicht. »Und damit hast du ganz recht. Ich will dich aushorchen. Also rede endlich.«
»Was für ein schönes Gefühl, so gebraucht zu werden. Was dagegen, wenn ich mich hinsetze?« Ohne auf ihre Erlaubnis zu warten, nahm er Platz. »Ich bin heute abend wirklich kaputt. War ein verdammt harter Tag.« Er lockerte seine Krawatte noch etwas weiter und trank einen Schluck Wein.
Jessie riskierte einen Blick über die Schulter und erkannte, daß er die Wahrheit sagte. Hatch hatte sichtlich einen langen, anstrengenden Tag hinter sich. Sie bemühte sich, das aufsteigende Mitgefühl zu unterdrücken. »Selber schuld, Hatch. Du solltest nicht soviel Zeit im Büro verbringen. Du bist genauso schlimm wie mein...«
Er hob die Hand, und sie verstummte. »Behalte es für dich. Ich bin jetzt weiß Gott nicht in der Stimmung für einen weiteren Vergleich zwischen mir und deinem Vater. Weißt du eigentlich, daß ich heute zum erstenmal deine hausfrauliche Seite kennenlerne?«
»Dann genieße es. Kommt nämlich nicht oft vor.«
»Schade. Irgendwie gefällt es mir, wenn du so am Herd stehst.«
»So also magst du die Frauen? Den ganzen Tag in der Küche?«
»Darauf antworte ich lieber nicht. Willst du mich denn nicht fragen, wie mein Tag im Büro war?«
Sie warf ihm einen mißtrauischen Blick zu. Wie gewöhnlich wußte sie nicht, ob er es ernst meinte oder ob er sie aufziehen wollte. Er wirkte so gesetzt und seriös, wie er da auf dem Küchenstuhl saß. Sie beschloß, ihm seinen Willen zu lassen. »Hattest du einen schweren Tag im Büro, Hatch?«
»Ja.«
»Muß verdammt anstrengend sein, danach auch noch hier vorbeizukommen und zusätzliche Überstunden in die Werbung um die Tochter des Chefs zu investieren.«
»Du bist wohl wirklich entschlossen, es uns möglichst schwer zu machen, oder?«
»Ich versuche, es gar nicht erst zu einer Beziehung kommen zu lassen«, sagte Jessie geradeheraus. »Weil es nämlich sowieso keinen Sinn hätte.« Sie nahm ihr Weinglas in die Hand und trank einen Schluck. »Und zwar für keinen von uns. Wir würden uns bloß gegenseitig frustrieren und uns permanent auf den Geist gehen.«
»Das stimmt nicht, Jessie. Ich glaube sehr wohl, daß wir eine Zukunft haben. Und ich denke, wir könnten lernen, miteinander zu leben. Vorausgesetzt, du hörst auf, dagegen anzukämpfen. Paß mit dem Glas auf. Es fällt gleich runter, wenn du nicht acht gibst. Und ich habe nicht mehr die Kraft, hinüberzuhechten und
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