Leidenschaft des Augenblicks
es aufzufangen.«
Sie schaute sich um und bemerkte, daß sie das Weinglas genau auf den Rand der weißgekachelten Theke gestellt hatte. Vorsichtig schob sie es ein Stück in Richtung Wand. »Wow! Eine weitere Katastrophe haarscharf umgangen. Hoffen wir nur, daß ich nicht aus Versehen die Wohnung in Brand stecke, solange du hier bist.«
»Ich habe deinem Vater gesagt, daß ich es für ein gutes Zeichen halte, daß du in meiner Gegenwart so nervös wirst.«
»Findest du das tatsächlich? Ich halte es eher für einen Hinweis darauf, daß wir nicht zusammenpassen.« Sie nahm den Topf von der Herdplatte, um die Ravioli in ein Sieb zu schütten, das sie zuvor in das Spülbecken gestellt hatte. Dampf strömte zur Decke. Jessie fluchte, als sie plötzlich bemerkte, wie heiß die Griffe des Topfs geworden waren. »Mist, verdammter.«
»Warte. Laß mich das machen.« Hatch stand plötzlich neben ihr. Für einen Mann, der behauptete, zu Tode erschöpft zu sein, hatte er sich verblüffend rasch bewegt. Er nahm ihr den Topf aus den Händen. »Warum hast du keine Topflappen genommen?« Er stellte den leeren Topf auf den Herd zurück.
»Ich habe nicht daran gedacht.« Jessie hielt ihre Hände unter einen kalten Wasserstrahl. »Ich wollte mich halt schicken.« Weil du mich so nervös machst, fügte sie im stillen hinzu.
»Das klingt, als würdest du mir die Schuld daran geben. Kann ich vielleicht etwas dafür, wenn du die Topflappen vergißt? Du solltest wirklich vorsichtiger sein und nachdenken, bevor du einen heißen Topf anlangst und dir die Finger verbrennst.«
Sie verdrehte die Augen himmelwärts. »Lieber Gott, hilf mir! Er ist auch noch ein Meister der Küchenorganisation. Hat dieser Mann denn gar keine Schwächen? - Jetzt erzähl bitte endlich, wie ich das mit dem Geld herausfinden soll, Hatch.«
»Nach dem Essen. Ich bin müde, und ich hätte gern etwas im Magen, bevor du anfängst, mich auszuquetschen.«
»Du versuchst doch nur Zeit zu schinden«, warf sie ihm vor, während sie den Wasserhahn abdrehte und anfing, den Salat, den sie vorher angemacht hatte, auf zwei kleine Schälchen zu verteilen.
»Stimmt. Ich will Zeit gewinnen.« Hatch setzte sich wieder an die Küchentheke und griff nach seinem Glas Wein. »Was ist das da?«
»Pesto. Selbstgemacht.«
»Ich habe wirklich Glück. Du kannst kochen.«
»Hatch, bitte...«
»Nach dem Essen, okay?« Sein Lächeln ließ sich nicht einordnen. »Ich verspreche, dir alles zu sagen, was ich weiß. Aber laß mich erst einen Moment lang ausspannen.«
Sie legte die Stirn in Falten. »Versprochen?«
»Großes Ehrenwort.«
Jessie kam zu dem Schluß, daß sie sich damit zufriedengeben mußte, ging zum Schrank und holte zwei achteckige schwarze Teller heraus. »Okay«, räumte sie ein. Jetzt, da sie ihren Willen durchgesetzt hatte, konnte sie einen versöhnlichen Ton anschlagen. »Wie schlimm war denn dein Tag im Büro?«
Hatch sah sie überrascht an. »Schlimm genug. Wir haben Ärger mit einem Bauprojekt in Portland. Dein Vater und ich haben den ganzen Nachmittag mit dem Bauleiter und den zuständigen Leuten verhandelt. Und zur Krönung hat dein Vater sich entschlossen, daß Benedict Fasteners sich um einen Auftrag in Spokane bewerben soll, nur weil eine andere Firma namens Yorland and Young darauf aus ist, ihn zu bekommen. Ich habe ihm gesagt, daß dieser Auftrag viel zu klein für uns ist und daß es sich nicht lohnt, das Angebot von Yorland and Young zu unterbieten.«
»Dad sieht Yorland and Young als Konkurrenz an.«
»Ja, aber das stimmt gar nicht. Jedenfalls jetzt nicht mehr.
Wir zielen auf einen anderen Markt ab. Vincent sollte seine Zeit nicht mit so kleinen Aufträgen wie diesem verschwenden. Das Problem bei deinem Vater ist, daß er sich viel zu sehr auf Details versteift, und das geht auf Kosten des großen Überblicks. Das ist auch der Hauptgrund dafür, daß Benedict Fasteners immer noch ein relativ kleiner Betrieb ist.«
»Ich weiß.« Jessie zuckte die Schultern. »Dad hat die Firma gegründet und aufgebaut. Und jetzt fällt es ihm schwer, größere Aufgaben zu delegieren.«
»Daran wird er sich gewöhnen müssen. Es hat doch keinen Sinn, qualifizierte Leute einzustellen, wenn man ihnen dann nicht auch freie Hand läßt.« Hatch massierte sich den Nacken und betrachtete den Teller, den sie vor ihn hingestellt hatte.
Jessie setzte sich ihm gegenüber und spießte mit der Gabel ein paar Ravioli auf. »Wenn es um Managementtechniken geht, ist Dad
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