Leidenschaft des Augenblicks
reden ist gut. Ich schreie ihn nur länger an als du oder Lilian«, gab Jessie zu bedenken.
Die Medienleute scharten sich jetzt um Elizabeth, die ihr Möglichstes tat, die Funktionsweise ihrer chemischen Analyse einer Giftmüllentsorgungsanlage einem Journalisten zu erläutern, der alle wesentlichen Informationen in einem Dreißig-Sekunden-Beitrag unterbringen mußte. Sobald sich der Reporter entfernt hatte, stürmte Jessie auf ihre Schwester zu und schloß sie fest in die Arme.
»Ich habe gleich gewußt, daß du gewinnst, Mädchen. Du warst fabelhaft. War sie doch, Dad, oder?«
»Ausgezeichnete Arbeit, Lizzie.« Vincent sah seine jüngere Tochter mit echt väterlichem Stolz an. »Obwohl ich nicht sagen kann, daß mich das überrascht. Du bist mir schon so eine kleine Intelligenzbestie. Ich wette, das hast du von mir.«
Elizabeth wurde rot und grinste übers ganze Gesicht. »Ich wußte, daß du heute kommen würdest, Dad. Mom hat gesagt, es könnte sein, daß dir in letzter Minute etwas dazwischenkommt, aber ich war mir sicher, daß du dabeisein würdest.«
Constance Benedict umarmte ihre Tochter und stellte sich dann auf die Zehenspitzen, um ihrem Ex-Ehemann einen flüchtigen Kuß auf die Wange zu hauchen. »Danke, daß du gekommen bist, Vince«, murmelte sie.
Vincent begegnete Jessies Blick. »Das hätte ich mir doch um nichts in der Welt entgehen lassen«, sagte er im Brustton der Überzeugung. Jessie lächelte ihn kühl an und drehte ihm den Rücken zu, um ihrer Schwester noch einmal zu gratulieren.
Eine Viertelstunde nach Ende der Preisverleihung verschwand Elizabeth, um das Projekt einer Freundin anzusehen, und Constance unterhielt sich mit einer Bekannten, die sie zufällig getroffen hatte. Vincent trat neben Jessie, die einen kleinen Roboter beobachtete, der auf einem Tisch herumkurvte.
»Immer noch sauer auf mich?« fragte er und schaute dabei auch dem Roboter zu.
»Reden wir lieber nicht darüber, okay? Du bist hier. Das ist die Hauptsache.«
Vincent atmete tief durch. »Es tut mir leid, Jessie. Ich wollte herkommen. Ehrlich. Ich hatte es fest vor. Das weißt du. Es war nur einfach so, daß es in Portland unerwartet große Probleme gegeben hat.«
»Ich weiß, Dad. Reden wir nicht mehr darüber. Wie ich schon gesagt habe: Das wichtigste ist, daß du jetzt hier bist.«
»Nur weil du mir Hatch auf den Hals gehetzt hast.«
»Ich habe ihn dir nicht auf den Hals gehetzt. Er ist von selber auf die Idee gekommen, dafür zu sorgen, daß du dich heute hier blicken läßt.«
»Verdammt, du hast gekriegt, was du wolltest. Ich verstehe, daß du ein bißchen sauer auf mich bist, aber warum klingst du nicht wenigstens etwas begeisterter, wenn du von Hatch sprichst?«
Jessie beobachtete, wie der Roboter zum Ende des Tisches rollte und dort wie von Geisterhand gehalten stehenblieb. »Wahrscheinlich deshalb, weil ich seine Gedankengänge kenne. Er glaubt bestimmt, daß ich ihm jetzt etwas schuldig bin.«
»Vielleicht bist du das tatsächlich. Alles hat seinen Preis.« Beide sahen zu, wie der Roboter eine Hundertachtzig-Grad-Drehung machte und zum anderen Ende des Tisches mar-
schierte. »Sag mir die Wahrheit, Jessie. Welche Gefühle hegst du für den Mann?«
»Was haben meine Gefühle damit zu tun? Dir geht es doch nur darum, mich mit ihm zu verkuppeln, damit die Firma in der Familie bleibt und du zusehen kannst, wie Hatch daraus einen riesigen Konzern macht, nicht wahr? Also spiel jetzt bitte nicht den besorgten Vater, Dad. Wir kennen uns viel zu gut, um so eine unsinnige Posse durchzuziehen.«
»Zum Teufel, Jessie. Vielleicht glaubst du mir nicht, aber ich möchte wirklich, daß du glücklich wirst. Ich bin überzeugt davon, daß ihr beide, du und Hatch, wunderbar zusammenpaßt, und kann mir gut eine gemeinsame Zukunft für euch vorstellen. Und das ist noch nicht einmal alles. Wenn ihr beide im selben Raum seid, sehe ich nämlich direkt die Funken sprühen.«
»Das kommt wahrscheinlich daher, daß wir beide unsere Messer für den nächsten Kampf wetzen.«
»Komm schon, Jessie. Ich bin dein Vater. Ich kenne dich gut genug, um zu merken, daß Hatch dir alles andere als gleichgültig ist. Den Tag, an dem er dich gefeuert hat, werde ich nie vergessen. Als du aus seinem Büro kamst, hast du ausgesehen, als hättest du zehn Runden gegen einen Löwen hinter dir.«
»Hai«, verbesserte Jessie. »Nicht Löwe. Und es war nicht so schlimm, wie du vielleicht denkst. Ich bin schon öfter fristlos entlassen
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