Leidenschaft des Augenblicks
enger zog und krampfhaft überlegte, was sie als nächstes tun sollte.
Hatch sah sie mit schweren Lidern an und löste den Schnür-senkel seines zweiten Schuhs. »Alles im Griff. Wir sind wieder im Zeitplan.«
»Oh, gut.« Sie blickte über ihre Schulter in die Küche. »Möchtest du eine Tasse Kaffee oder was anderes?«
»Nein. Ich will bloß ins Bett. Nach Portland fährt man über vier Stunden. Ich bin um vier Uhr früh losgedüst und habe den ganzen Tag bis neun Uhr abends damit verbracht, allen ins Gewissen zu reden, die mit dem Projekt zu tun haben. Und dann bin ich wieder in mein Auto gestiegen und hierher zurückgefahren.« Er stand auf und ging auf sie zu. Dabei knöpfte er sein Hemd auf. »Ich bin völlig erledigt.«
»Aha. Nun, dann wirst du möglichst schnell heim und ins Bett wollen.« Sie lächelte ihn freundlich an.
»In einem hast du recht. Ich will möglichst schnell ins Bett.«
Er hob sie hoch, trug sie ins Schlafzimmer und ließ sie sanft aufs Bett fallen. Dann beugte er sich über sie, löste den Gürtel ihres Morgenmantels, zog ihn ihr aus und warf ihn über einen Stuhl.
Zurück in die Kissen gelehnt, sah Jessie mit wachsender Unruhe zu, wie er sich seiner restlichen Kleidungsstücke entledigte. Wohl oder übel ergab sie sich in die Tatsache, daß sie ihn nicht hinauswerfen konnte. Wenigstens nicht heute nacht.
»Du kannst morgen früh den Kaffee aufsetzen«, sagte Hatch, als er, nur noch in seinen Boxershorts, zu ihr ins Bett stieg. »Aber bitte mach ihn wirklich stark.«
Er drehte sich zu ihr auf die Seite und schlang besitzergreifend einen Arm um ihre Taille. Sie spürte, wie seine Armmuskeln gegen das weiche Fleisch ihrer Brüste drückten und wartete voller Erregung darauf, daß seine wunderbar kraftvolle Hand über ihre Hüfte und ihren Schenkel gleiten würde.
Doch nichts geschah.
Jessie schaute genauer hin und bemerkte, daß Hatchs bemerkenswert dunkle Wimpern dicht auf seinen Wangen ruhten. Sein Atem ging tief und gleichmäßig. Er schlief.
Sie strich ihm sanft über die Schulter. Schließlich wußte sie, daß sie zumindest teilweise schuld an seiner heutigen Erschöpfung war. Er hatte es nur für sie getan. Fast gewaltsam mußte sie sich in Erinnerung rufen, daß seine Motive keineswegs rein altruistisch gewesen waren. Sie stand momentan ganz oben auf Sam Hatchards Prioritätenliste. Und nur aus diesem Grund war er auch gewillt, einiges in Kauf zu nehmen, solange er um sie warb.
Trotzdem hatte sie das Ausmaß seines Engagements überrascht. Er hatte ihr etwas versprochen und sein Versprechen gehalten. Er hatte sich sogar mit ihrem Vater angelegt, um es einlösen zu können. Jessie konnte sich nicht vorstellen, daß irgendein anderer Mensch in der Lage gewesen wäre, Vincent Benedict dazu zu bringen, Elizabeth heute auf die Schulfeier zu begleiten.
»Ich hoffe nur«, flüsterte sie in die Dunkelheit, »du kommst nicht auf die Idee, daß du jederzeit so wie heute hier hereinschneien und dich einfach in mein Bett legen kannst.«
»Wie käme ich jemals auf einen derartigen Gedanken?« fragte Hatch, ohne die Augen aufzumachen.
Hatch wachte am nächsten Morgen auf, atmete den feinen Duft der weißen Bettwäsche ein und stellte mit Befriedigung fest, daß er sich endlich in Jessies Bett befand.
Ein weiterer Wendepunkt. Ein weiterer Sieg in dem kleinen Privatkrieg, den sie miteinander führten. Er war mit sich und der Welt zufrieden.
Hatch streckte die Hand nach Jessie aus, fand aber die andere Seite des Bettes leer. Enttäuscht stöhnend, öffnete er die Augen. Das gedämpfte Licht eines regnerischen Tages fiel durch die zugezogenen Vorhänge, und aus der Küche zog der Duft frischen Kaffees ins Zimmer.
Konnte man das einen Sieg nennen? Eine ganze Nacht in Jessies Bett, und er hatte es nicht einmal fertiggebracht, mit ihr zu schlafen.
Vielleicht hatte er in letzter Zeit wirklich etwas zu viel gearbeitet.
Hatch schlug die Bettdecke zurück und setzte sich langsam auf. Sich interessiert umblickend, genoß er das Gefühl, sich in Jessies Schlafzimmer zu befinden. Ihr Morgenrock lag noch auf dem Stuhl, auf den er ihn gestern geworfen hatte. Die Spiegelglastüren des Schrankes standen offen und gaben den Blick auf eine stattliche Reihe von Kleidungsstücken in den unterschiedlichsten Farben frei. Darunter, achtlos in den Schrank hineingeworfen, lagen Halb- und Turnschuhe, Sandalen und hochhackige Pumps.
Offensichtlich war Jessie keine Ordnungsfanatikerin. Macht nichts, dachte
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