Leidenschaft des Augenblicks
Hörweite der Sekretärinnen waren, ließ er Jessie los. Sie standen neben einer hohen Topfpalme. Kühl und entschlossen wirkend, stützte er sich auf Höhe ihres rechten Ohrs mit einer Hand gegen die Wand und beugte sich dicht zu ihr. Seine Haltung war bewußt einschüchternd. Das gehört zu den Dingen, die er wirklich gut beherrschte, dachte Jessie bei sich. Sie wollte sich das Haar hinters Ohr streichen, merkte dann jedoch, daß es durch die Spange bereits dort fixiert war.
»Ich will, daß du endlich damit aufhörst«, befahl Hatch leise.
Sie stöhnte. »Hatch, wir haben das Ganze doch schon mehrfach durchdiskutiert. Und ich habe dir gesagt, daß ich den Fall Attwood nicht aufgeben kann. Zumindest nicht, bevor ich nicht sicher weiß, daß es Susan Attwood gut geht.«
»Ich rede nicht von diesem verdammten Fall.« Hatch klang ehrlich erzürnt. »Ich rede davon, weshalb du bei deinem Vater warst. Du kannst dich nicht von der ganzen Familie benutzen lassen. Das muß ein Ende haben. Wenn jemand von ihnen etwas von ihm will, dann soll er oder sie ihn gefälligst selber darum bitten. Du stehst nicht länger als Vermittler zur Verfügung. Ist das klar?«
Sie seufzte. »Hatch, das verstehst du nicht.«
»O doch, das tue ich. Du mußt nichts weiter tun als nein sagen, Jessie.«
»Du hast gut reden. Das ist leichter gesagt als getan.«
»Du wirst es lernen. Ich werde nicht zulassen, daß sie dich weiterhin ausnutzen, Jessie. Das ist mir ernst. Ich will nicht, daß du allen einen Gefallen tust. Weder deiner Mutter noch Connie oder David oder deiner Tante Glenna. Das Maß ist ein für allemal voll.«
»Aber mir fällt es doch viel leichter, mit ihm umzugehen, Hatch. Siehst du das denn nicht? Ich kenne ihn, und ich weiß, wie man ihn behandeln muß.«
»Die anderen können das verdammt noch mal auch lernen, wenn es ihnen so wichtig ist.«
Sie schüttelte traurig den Kopf. »Genau darum geht es. Vielleicht ist es ihnen dazu nicht wichtig genug.«
Hatch starrte sie an. »Worauf zum Teufel willst du hinaus?«
Jessie sah ihm in die Augen und versuchte, es ihm zu erklären: »Ich habe einfach Angst, daß sie aufgeben würden, wenn sie gezwungen wären, mit ihm direkt zu verhandeln. Schließlich haben Connie und Lilian beide resigniert und sich von ihm scheiden lassen. Und David war so frustriert, als er für Benedict Fasteners tätig war, daß er nicht mal mehr mit ihm geredet hat. Tante Glenna sagt, eine Beziehung zu Dad aufbauen zu wollen, sei reine Zeitverschwendung. Aber das stimmt nicht. Wenigstens nicht ganz.«
»Du glaubst also, du hättest es geschafft, durch deine... sagen mir mal Diplomatentätigkeit, die Familie zusammenzuhalten, wie? Jessie, das ist nicht der richtige Weg.«
»Ach nein?« fragte sie leise. »Immerhin hat er auf diese Art und Weise noch so etwas wie eine Familie, und der Kontakt zu ihm ist noch nicht völlig abgerissen. Vielleicht sind wir nicht gerade eine Musterfamilie, aber wenigstens verbindet uns alle ein gemeinsames Band. Es könnte schlimmer sein, weißt du. Er hätte dasselbe tun können wie Davids Vater und einfach aus unser aller Leben verschwinden.«
»Lieber Himmel, was für ein Chaos!« Hatchs Augen funkelten. »Jessie, ich will nicht, daß du die Familie weiterhin ganz allein zusammenhältst. Mit Ausnahme von Elizabeth sind es alles erwachsene Menschen. Und die müssen mit ihren Problemen selber fertig werden.«
»Ich soll mich einfach so mir nichts, dir nichts von allem und allen zurückziehen, meinst du das?«
»Ganz genau.«
»Es ist meine Familie, Hatch. Nenn mir einen einzigen guten Grund, warum ich das machen sollte, was du verlangst«, fauchte sie.
»Ich dachte, wie hätten diesen Punkt bereits geklärt. Ich will absolut sicher sein können, daß du mich nicht deshalb heiratest, weil du damit dem Familienclan Benedict-Ringstead einen Gefallen tust.«
»Und ich habe dir bereits mehrfach gesagt, daß ich nicht im entferntesten die Absicht habe, dich zu heiraten.« Doch dieser Einwand klang lahm. Das mußte sie selber zugeben.
»Darüber reden wir später. Im Moment möchte ich nur, daß du weißt, daß du ein für allemal aus dem Vermittlergeschäft raus bist. Laß die anderen Benedicts und Ringsteads für sich selber kämpfen.«
»Aber ich habe David doch schon versprochen, daß ich Dad bitten werde, ihm die Uni zu finanzieren.«
»Überlaß David mir.«
»Dir? Hatch, du kennst ihn doch kaum. Du bist noch nicht lange genug hier, um zu wissen, wie unsere
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