Leidenschaft des Augenblicks
davon herzugeben.
Nicht, daß er nicht großzügig gewesen wäre - ganz im Gegenteil. Im Laufe der Jahre hatte Vincent große Summen in seine Familie investiert. Aber Constance und Lilian hatten recht: Er knüpfte immer irgendwelche Bedingungen daran. Er wollte sichergestellt wissen, daß der Empfänger auch die nötige Dankbarkeit an den Tag legte und ihn darüber informierte, wofür jeder einzelne Cent ausgegeben wurde. Und er glaubte ein Recht darauf zu besitzen, jeweils entsprechend zu kommentieren, ob das Geld seiner Ansicht nach sinnvoll verwendet wurde oder nicht. Je nachdem, was der Geldempfänger mit der Summe anstellte, wurde er von Vincent kritisiert, gelobt oder ausgeschimpft. Außerdem legte Vincent Wert darauf, daß niemals in Vergessenheit geriet, daß das Geld von ihm stammte. Jessie war daran gewöhnt, Wutanfälle, Beschwerden und Klagen von beiden Seiten abzufangen.
»Du lieber Himmel, kriegen diese beiden Frauen denn nie genug?« brüllte Vincent. Er schlug mit der offenen Handfläche auf seinen Schreibtisch und warf Jessie einen bitterbösen Blick zu. »Die zwei sind die reinsten Schwämme - saugen immer mehr von meinem Geld auf.«
»Dad, du weißt genau, daß das nicht wahr ist.« Jessie hing auf dem Stuhl und sah ihren Vater an. Sie hatte ihre Beine lang nach vorne ausgestreckt und die Daumen lässig in die Vordertaschen ihrer Jeans gehakt. Zu den Jeans trug sie einen hauteng anliegenden, langärmeligen schwarzen Body, das Haar hatte sie auf einer Seite mit einer großen Silberspange zurückgesteckt.
»Zum Teufel, natürlich ist es wahr. Was ist denn mit dem ganzen Geld passiert, das ich Connie und Lilian vor noch nicht einmal zwei Jahren gegeben habe, um dieses verdammte Möbelgeschäft zu eröffnen?«
»Es ist kein richtiges Möbelgeschäft, Dad. Es ist mehr ein Ausstellungsraum, der ihren Kunden einen ersten Eindruck vermitteln soll. Und jetzt wollen sie ihn vergrößern. Sie würden gerne ein Design-Studio aufmachen und sich auf avantgardistische europäische Möbel spezialisieren.«
»Was haben sie denn gegen amerikanische Möbel?« Vincent deutete auf den breiten Mahagonischreibtisch vor sich. »Ich sehe nicht ein, warum dieses neumodische Gelump besser sein soll als gute amerikanische Qualitätsarbeit.«
»Dad, Connie und Lilian haben nicht viele Kunden, die auf diesen Möbelstil stehen.«
»Ich sag' dir was, Jessie: Dieses europäische Zeug ist doch nichts Gescheites. Ich hatte eine von diesen kleinen italienischen Lampen hier stehen, und das verdammte Ding ist schon nach ein paar Wochen kaputtgegangen.«
»Nur weil du versucht hast, sie in eine Richtung zu drehen, die nicht vorgesehen war.« Jessie erinnerte sich an die Lampe, ein zierliches Stück. Zu zierlich für die großen Hände ihres Vaters. »Und was du persönlich von italienischen Möbeln hältst, hat mit der Sache überhaupt nichts zu tun. Sehr viele Leute mögen nun mal diesen Stil. Und Connie und Lilian tragen dem Rechnung.«
»Wahrscheinlich sind das solche Typen, die auch rohen Fisch mögen und einen Haufen Geld dafür ausgeben, ausländische Filme mit Untertiteln zu sehen«, murrte Vincent.
»Du triffst den Nagel auf den Kopf - es sind Leute, die viel Geld ausgeben für das, was sie wollen. Komm schon, Dad, du bist schließlich Geschäftsmann. Du weißt, daß ein guter Geschäftsmann - oder eine Geschäftsfrau - sich immer nach dem Geschmack der Kundschaft richten muß. Und genau das haben die Moms vor. Bisher haben sie großen Erfolg gehabt, und du bist doch auch stolz auf sie. Also, was spricht dagegen, ihnen nochmal etwas Geld zu geben, damit sie ihr Geschäft vergrößern können?«
»Sie behandeln mich, als wäre ich eine Bank.«
»Wäre es dir denn lieber, wenn sie zu einer richtigen Bank gingen, anstatt sich an dich zu wenden?«
»Teufel, natürlich nicht.« Vincent stieg vor Wut das Blut ins
Gesicht, als er diesen Vorschlag hörte. »Die verlangen ja die reinsten Wucherzinsen. Da kann man sein Geld gleich zum Fenster rauswerfen. Und außerdem darf man diesen Bankleuten nicht über den Weg trauen. Das kleinste Problem, und sie kündigen dir den Kredit.«
Jessie grinste. »Und außerdem hättest du keinen Grund zum jammern, wenn die Moms zu einer Bank gingen. Sei doch mal ehrlich, Dad. Du gefällst dir eben in der Rolle des Familienoberhauptes, das alle Fäden in der Hand hält.«
»Irgend jemand muß das ja schließlich tun. Außer mir versteht hier doch keiner was vom Geld. Ihr habt überhaupt
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