Leidenschaft, Die Dich Verfuehrt
dorthin zurückkehren würde. Vor der Küchentür setzte Tristan sie vom Pferd, ohne selbst abzusteigen. Schwarzer Adler hielt sich in respektvoller Entfernung. Vorsichtig beugte er sich vor und ließ Spud, der völlig erschöpft war, auf den Boden hinab. Der Indianer hatte den Hund auf dem Schoss mit sich geführt.
»Soll ich mit dem Abendessen warten?« fragte Emily.
Tristan schüttelte grimmig den Kopf. »Nein.« Er deutete auf den Toten und den Gefangenen. »Shay wird eine Menge Fragen haben, Emily. Schwarzer Adler und ich haben heute ein paar Leichen hinterlassen. Dafür wird der Marshall eine Erklärung von mir hören wollen - auch wenn er mein Bruder ist.«
Sie presste kurz die Lippen zusammen und lächelte Tristan verlegen an. »Danke, daß du mich gesucht und gerettet hast. Ich weiß jetzt, wie dumm es war, daß ich dir gefolgt bin.«
Er schnitt eine Grimasse. »Über >Dummheiten< reden wir, wenn ich wieder zurück bin«, entgegnete er. »Heb mir ein Stück vom Rhabarberkuchen auf - falls Polymarr und Fletcher ihn noch nicht ganz aufgegessen haben.«
Spud trottete langsam hinkend auf sie zu. Sein Fell war schmutzig, und einige der Wunden waren wieder aufgebrochen. »Komm bald wieder zurück«, bat sie Tristan und ging so langsam zum Haus, daß der Hund mit ihr Schritt halten konnte. Für Emilys Hände gab es reichlich zu tun, aber ihr Kopf war immer bei Tristan. Sie säuberte Spuds Wunden und versorgte sie mit heilender Kräutersalbe. Dann nahm sie wieder oben in dem freien Zimmer ein Bad und zog eines der anderen Kleider an, die Aislinn ihr geschenkt hatte. Sie ging in die Küche zurück, schälte Kartoffeln und Rüben, die sie zusammen in einen Topf mit Salzwasser gab, aber erst später kochen wollte.
Die Sonne ging langsam unter, als Fletcher leise an die offenstehende Tür klopfte und den Kopf in die Küche steckte. Emily saß am Tisch und hatte die Hände in den Schoss gelegt. Ihr Blick war in unbekannte Feme gerichtet. Als sie den Jungen bemerkte, zwang sie sich zu einem Lächeln.
»Ich habe Ihnen diese Waldhühner gebracht, Ma'am«, meinte er und hielt die Vögel, die schon gerupft und ausgenommen waren, an den Füßen hoch. »Sie schmecken besonders gut, wenn man sie mit Speck umwickelt.«
Weiter als an Kartoffeln und Möhren zum Essen hatte Emily nicht gedacht. Um so erfreuter war sie, daß der Junge ihr die Vögel brachte - auch wenn er vielleicht einen Hintergedanken dabei gehabt hatte. »Danke, Fletcher«, sagte sie und nahm ihm die Vögel aus der Hand. »Gib mir eine halbe Stunde Zeit, dann steht das Abendessen auf dem Tisch .«
Fletcher räusperte sich, und Emily wusste , daß er jetzt nach Ringstead und dessen Kumpanen fragen würde. Sie hatte sich sowieso schon gewundert, daß Fletcher und Mr. Polymarr sich so lange Zeit gelassen hatten, bis sie diesen Punkt ansprachen. »Es sah aus, als hätte es heute in den
Bergen Ärger gegeben«, fuhr er fort. »Es waren auch eine Menge Schüsse zu hören.«
Emily sah dem Jungen in die Augen. »Jetzt ist alles wieder in Ordnung«, erwiderte sie beruhigend. Sie konnte nur hoffen, daß das die Wahrheit war, denn sie hatte das Gefühl, ihre ganze Zukunft hinge davon ab, was Tristan ihr erzählen würde, wenn er aus der Stadt zurückkam. »So, jetzt muss ich mich aber an die Arbeit machen«, erklärte sie und gab sich Mühe, sich ihre Sorgen nicht anmerken zu lassen.
Fletcher zögerte einen Moment, dann drehte er sich um und ging. Spud hatte es sich auf dem Teppich neben dem Herd bequem gemacht. Er hatte die Augen geschlossen und winselte manchmal leise im Schlaf.
Bald darauf waren die Waldhühner gar, und die Kartof fel-Möhren-Mischung stand in einem eisernen Topf dampfend auf dem Tisch. Emily ging zur Weide, wo ihre Schafe grasten. Die Herde wurde von den Indianern bewacht, während sich Mr. Polymarr und Fletcher etwas abseits hielten.
Während Emilys Blick über die Herde glitt, wusste sie, daß die Schwierigkeiten noch lange nicht zu Ende waren. Vielleicht würde sich die Situation durch das, was Tristan ihr über sich selbst erzählen würde, ändern - vielleicht aber auch nicht. Sie war und blieb eine Außenseiterin, ob ihr nun das Land gehörte oder nicht, ob sie ein Haus besaß oder nicht. Sie war ein Eindringling, eine Schaf-Besitzerin im Rinderland, so etwas wie eine Ausgestoßene. Dabei wollte sie doch niemandem etwas Böses tun, sie wollte nur Frieden und Heimat finden.
»Das Essen ist fertig«, erklärte sie ruhig.
»Diese
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