Leidenschaft, Die Dich Verfuehrt
ab. »Wenn er mir erst eine Kugel verpaßt hat, wird es dazu zu spät sein«, wimmerte er und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Ich habe dir doch erklärt, daß Billy auf die Kleine scharf ist und keins der anderen Mädchen will.«
»Dann wird er es sich wohl selbst besorgen müssen«, bemerkte der Marshall trocken, »denn eine Frau, für die er nicht bezahlen muss , läßt ihn ja nicht an sich ran.«
Der Mann hinter der Bar zog seine roten Schweinsäuglein zu Schlitzen zusammen. »Ich glaube, du nimmst die ganze Sache nicht sehr ernst.«
»Du bist ja heute ein richtiger Schnelldenker, Jake«, erwiderte Shay grinsend, tippte an seinen Hutrand, blickte sich noch einmal im Saloon um und stieß die doppelflügelige Schwingtür auf. Da sein Bruder aufs Land geritten war und er nicht befürchten muss te, daß sie beide gleichzeitig in Prominence gesehen wurden, beschloß er, eine Runde durch die Stadt zu machen, damit die anständigen Bürger erkannten, daß sie doch noch einen Marshall hatten.
Er hatte noch nicht ganz die Straße erreicht, als eine der Frauen aus dem Saloon ihn am Arm festhielt. Im Sonnenlicht wirkte ihr Haar wie ausgebleichtes Stroh, und man sah die Risse in der Schminke, die viel zu dick aufgetragen war. Die Frau hatte den Körper einer Zwanzigjährigen, aber die Augen einer Greisin. Sie warf einen Blick über ihre nackte Schulter und war sich bewusst , daß Jake sie im Auge behielt.
»Wenn Sie Liza Sue sehen«, wisperte die Prostituierte, »müssen Sie ihr sagen, daß sie unter keinen Umständen hierher zurückkommen darf. Wenn Billy sie noch einmal in die Finger kriegt, wird er sie umbringen. Er hat sie gestern nacht grundlos verprügelt und dabei halbtot geschlagen. Wenn der Pianospieler und ich Billy nicht abgelenkt hätten, hätte er Liza Sue alle Knochen im Leib gebrochen.«
»Ich schätze, ich muss mir Billy mal vorknöpfen und ihm klar zu verstehen geben, daß ich so ein Verhalten in dieser Stadt nicht dulde«, erwiderte Shay ruhig. Er warf Jake einen schnellen Blick zu, der im Saloon hinter der Schwingtür stand und sie beide über den Rand hinweg mißtrauisch beäugte.
»Liza Sue muss sich irgendwo in der Stadt versteckt haben«, murmelte die Frau und preßte dabei ihre Finger in Shays Arm. »Sie müssen Sie finden, Marshall , und in die nächste Kutsche setzen, die die Stadt verläßt, bevor Billy das Mädchen findet.«
Jake war vor die Tür getreten, und Shay wusste , daß die Frau kein Wort mehr sagen würde, solange der Barmann in Hörweite war.
»Mach, daß du in den Saloon zurückkommst, Belle!« rief Jake. »Ich zahle dir schließlich nicht das gute Geld, damit du vor der Tür herumlungerst.«
»Stimmt, Jake, du bezahlst mir kein gutes Geld«, erwiderte Belle rebellisch. Sie drückte noch einmal fest Shays Arm und sah ihn mit einem flehenden Blick an. Dann löste sie sich von dem Marshall und wandte sich einem Cowboy zu, der eben die Bar betreten wollte. »Hallo, Süßer«, flötete Belle und klimperte kokett mit den Wimpern. Sie hakte sich bei dem Mann unter und stieß ihn auffordemd mit der Hüfte an. »Dieser gutaussehende Viehtreiber möchte mir einen Drink spendieren, Jake. Gib uns eine Flasche Whiskey, und spar dir das Wasser!«
Shay ging die Straße entlang und ließ sich noch einmal durch den Kopf gehen, was Belle ihm erzählt hatte. Er war so in Gedanken versunken, daß er fast mit Dorrie zusammengestoßen wäre, die vor dem Krämerladen stand. Als er Tristan erzählt hatte, daß seine Schwestern ihn haßten, hatte er ein wenig übertrieben. Zwar würde Cornelia keinen Finger rühren, um ihm zu helfen - selbst wenn er sie auf Knien darum bitten würde -, aber zu Dorrie hatte er ein ausgesprochen gutes Verhältnis. Sie würde alles für ihn tun. Als er noch ein Junge gewesen war, hatte sie ihn immer gedeckt, wenn er etwas angestellt hatte.
»Guten Morgen, Schönheit«, begrüßte er sie.
Als Dorrie ihn sah, strahlte sie übers ganze Gesicht. Sie war gerade dabei, die Schaufensterscheibe mit Essigwasser und zerknülltem Zeitungspapier zu putzen. Nun ließ sie alles stehen und liegen, ballte die Hand zur Faust und schlug ihrem Bruder mit aller Kraft in den Bauch. Das war so eine Art Ritual zwischen den beiden, und deshalb war Shay auf den Schlag vorbereitet und hatte die Bauchmuskeln angespannt.
Dorrie lachte vergnügt und betrachtete ihren Bruder von Kopf bis Fuß. »Ich glaube, du bist tatsächlich nüchtern, Shamus McQuillan«, sagte sie anerkennend.
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