Leidenschaft, Die Dich Verfuehrt
sie, »aber das ist gegen die Hausordnung.«
»Das«, erwiderte er lächelnd, »ist wirklich sehr schade.«
Am Nebentisch saß ein Cowboy, dessen Augen nach einer durchzechten Nacht gerötet waren und dessen Atem faulig roch. »He, du«, rief er Aislinn zu und setzte seine Tasse hart auf den Tisch . »Ich brauche mehr Kaffee, aber dalli!«
Mit einer leichten Verbeugung nahm der Marshall Aislinn die blaue Emaillekanne aus der Hand und füllte die Tasse des Cowboys. Dabei beugte er sich dicht zu ihm hinunter und meinte leise: »Was du brauchst, Freundchen, ist eine Lektion in gutem Benehmen. Wenn du es wagst, noch einmal in diesem Ton mit der Lady zu sprechen, mache ich dich so fertig, daß du es bis zum Ende deiner Tage nicht mehr vergißt.«
Der Cowboy zuckte zusammen, senkte den Blick und schwieg.
»Danke«, sagte Aislinn verunsichert, als der Marshall ihr die Kaffeekanne zurückgab.
»Gern geschehen«, erwiderte er und verließ den Speisesaal.
Aislinn schaute sich um und sah, daß alle Frauen im Raum - ob sie nun bedienten oder bedient wurden - den Marshall geradezu mit den Augen verschlangen. Auch Eugenie beobachtete ihn mit nachdenklichem Blick.
»Was ist denn in ihn gefahren?« fragte sie leise, als Aislinn an ihr vorbei in die Küche ging, um frischen Kaffee zu holen.
»Das weiß ich auch nicht«, erwiderte diese ehrlich. »Aber ich glaube, daß ich ihn heute schon etwas besser als gestern leiden kann.« Zum ersten Mal, seit sie nach Prominence gekommen war, bedauerte sie es, daß sie nicht zum Tanz gehen durfte, denn jetzt, nachdem der Marshall offensichtlich die Fähigkeit verloren hatte, sie mit seinem schrägen Grinsen vollkommen aus der Fassung zu bringen, war sie plötzlich gar nicht mehr so wild darauf, ihm aus dem Weg zu gehen.
Irgendwann während des hektischen Trubels zwischen Frühstück und Mittagessen - der Boden muss te gefegt, die Tische mussten neu eingedeckt werden - hatte Liza Sue wohl eine Chance gesehen, unbemerkt das Hotel zu verlassen, denn als Aislinn einmal in die Küche kam, um bei einer Tasse Tee kurz zu verschnaufen, saß die junge Frau Eugenie am Tisch gegenüber - und log das Blaue vom Himmel herunter.
Sie sei schon eine Weile in Prominence, behauptete sie, habe bei entfernten Verwandten gewohnt, die sie aber nicht länger durchfüttem konnten. Die Verletzungen im Gesicht und an den Armen? Ja, das sei passiert, als sie ein Glas Marmelade aus dem Keller habe holen wollen. Sie sei auf den Saum ihres Kleides getreten und die Treppe hinuntergefallen, und sie könne von Glück sagen, daß sie sich nicht das Genick gebrochen hatte.
Eugenie hörte still zu und dachte eine Weile nach. Aislinn war klar, daß sie kein Wort von Liza Sues Geschichte glaubte. Eugenie war lebenserfahren und klug. Wie sie selbst einmal gesagt hatte, war ihr Leben auch nicht gerade ein Zuckerschlecken gewesen. Sie sah zu Aislinn hinüber, und ihr Blick verriet deutlich, daß sie sich auch jetzt nicht zum Narren halten ließ. Dann räusperte sie sich umständlich.
»Nun, Mädel«, richtete sie sich an Liza Sue, »wenn du gerne Betten machst und morgens Spucknäpfe ausleerst, bist du hier richtig. Du hast ein Bett, bekommst genug zu essen, und ich zahle dir vier Dollar im Monat. Anständige Arbeitskleidung wird vom Hotel gestellt.«
Liza Sues blaugrün geschwollenes Gesicht errötete vor Freude, und ihre traurigen Augen begannen zu glänzen. »Danke, Ma'am«, murmelte sie, »vielen Dank.«
»Hm«, knurrte Eugenie. »Wir werden ja sehen, ob du nach ein paar Tagen harter Arbeit immer noch glücklich bist. Laß dir zuerst mal von der Köchin etwas zum Frühstück geben, und dann soll Aislinn dir zeigen, wo du schlafen kannst.« Eugenie wuchtete ihren mächtigen Körper hoch. »Ach ja, bei uns im Haus gibt es auch ein paar strenge Regeln. Was du in deiner freien Zeit machst, interessiert mich nicht, aber um acht Uhr bist du zu Hause. Sonntag morgens gehst du zur Kirche - ob du an den Herrn glaubst oder nicht. Einmal pro Woche schreibst du an deine Familie. Rauchen, Alkohol und Fluchen sind verboten, und wenn ich dich jemals hier im Haus mit einem Mann erwische, mache ich dir die Hölle heiß. Ich denke, ich habe mich klar genug ausgedrückt.«
»Ja, Ma'am«, versicherte Liza Sue und nickte eifrig.
Eugenie schaute Aislinn noch einmal lange an. »Kümmere dich um deine Freundin«, meinte sie nur und machte sich wieder an die Arbeit.
Aislinn führte Liza Sue die Treppe hinauf und zeigte ihr den Schlafraum,
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