Leidenschaft, Die Dich Verfuehrt
Als die Schwestern ins Esszimmer vorgingen, blieb Tristan kurz neben Aislinn stehen.
»Was hat mich verraten?« wisperte er ihr zu.
Sie lächelte ihn an. Den wahren Grund - ihre Gefühle - hätte sie ihm nicht erklären können. »Die Krawatte. Seit ich in Prominence bin, habe ich Sh a y noch nie mit einem Schlips um den Hals gesehen. Wahrscheinlich besitzt er so ein Ding nicht einmal.« Sie wurde ernst. »Wo ist er? Es ist doch alles in Ordnung mit ihm?«
»Ihm geht es blendend«, versicherte Tristan »Er hat allerdings alle Hände voll zu tun, um mit seinen Gefangenen fertig zu werden. Shays Stellvertreter war damit ziemlich überfordert, denn der größere der beiden hat versucht, den kleineren mit dem Hosenbein aufzuhängen.« Er deutete mit einer Kopfbewegung in Richtung der McQuillan- Schweste rn . »Du wirst ihnen doch nicht sagen, wer ich bin?« Die Schwestern liefen geschäftig zwischen Küche und Esszimmer hin und her, trugen Platten und Schüsseln herein, arrangierten die Rosen in der unersetzlichen Kristallvase ihrer Mutter neu, stellten silberne Kerzenleuchter vom Tisch auf den Kaminsims und von dort wieder zurück auf den Tisch.
Aislinn hakte Tristan unter. »Natürlich nicht«, antwortete sie und versuchte, ihre Enttä u sch ung zu verbergen, daß sie Shay an diesem Abend nicht mehr sehen würde - es sei denn, sie würde ihn im Gefängnis aufsuchen, aber nach der schlechten Erfahrung, die sie in der vergangenen Nacht gemacht hatte, sollte sie das wohl besser bleiben lassen.
»Das könnte ein interessanter Abend werden«, meinte sie flüsternd.
»Welche der beiden hasst mich?« Mit gerunzelter Stirn betrachtete er die älteren Frauen, die immer noch den Tisch umdekorierten.
»Die Schöne, die die Befehle erteilt, ist Cornelia. Hat Shay dir denn keine Instruktionen gegeben?«
»Er hat mir nur gesagt, daß es wahrscheinlich etwas zu essen gibt, was er nicht ausstehen kann.«
»Es gibt Schweinebraten«, verriet Aislinn ihm. Sie standen jetzt auf der Schwelle der E ss zimmertür, und sie sprach besonders leise.
Tristans blaue Augen funkelten. »Mag ich Schweinebraten?«
Aislinn muss te lachen, worauf Dorrie und Cornelia sich zu ihnen umdrehten. Dorrie betrachtete das Paar, das Arm in Arm dastand, mit verzücktem Wohlwollen, während das Lächeln in Cornelias Gesicht maskenhaft und wie gefroren wirkte. »Es ist dein Lieblingsessen«, murmelte sie, ohne die Lippen zu bewegen.
Tristan lachte erleichtert auf. »Zum Glück muss ich nicht Leber mit Zwiebeln runterwürgen.«
Das Essen schmeckte ausgezeichnet, und es gab auch genug davon. Seit Aislinn Maine verlassen hatte, hatte sie nicht mehr so fürstlich gespeist. Sie wusste zwar, daß sie in diesem Haus ebenso wenig willkommen war wie der Mann, den die Schwestern Shamus nannten - jedenfalls was Cornelia betraf -, aber sie ließ es sich trotzdem schmecken. Aislinn erfreute sich an dem schönen Porzellan und der weißen gestärkten Tischdecke, den silbernen Leuchtern und dem warmen Kerzenlicht. Das ganze Ambiente war festlich. Anschließend wurde Kaffee aus Arabien serviert und kleine Schokoladenstückchen, die auf einem bunten Teller zu einer Pyramide gestapelt waren. Das Tischgespräch war insgesamt lebhaft und anregend, auch wenn es manchmal etwas gekünstelt und angespannt wirkte.
Der Abend wäre fast perfekt gewesen, wenn der Mann mit den ausgefeilten Tisch manieren, der auch so unterhaltsam reden konnte und immer wieder kluge Bemerkungen machte, wirklich Shamus McQuillan Junior gewesen wäre. Daß die Schwestern in keinem Moment Verdacht schöpften, zeigte nur, wie wenig Cornelia und Dorrie ihren Adoptivbruder kannten, während für Aislinn, die Shay ja erst kürzlich näher kennengelernt hatte, die Unterschiede zwischen den Zwillingen mit jedem Satz klarer und deutlicher wurden.
»Vielleicht hätte Miss Aislinn Lust auf einen kleinen Spaziergang mit mir«, sagte Tristan, als sich der Abend in die Länge zu ziehen begann. Aislinn blickte abwechselnd Cornelia und Dorrie an, denn sie konnte sich nicht vorstellen, daß Shay jemals so förmlich geredet hätte, und deshalb erwartete sie, daß der Schwindel nun doch noch auffliegen würde.
Aber keine der Frauen schöpfte Verdacht. Cornelia hatte wahrscheinlich kaum jemals Notiz von Shay genommen, obwohl er im selben Haus, in derselben Familie aufgewachsen war. Und Dorrie hatte die Realität wohl weitgehend aus ihrem Leben verdrängt und sich mehr mit den Tagträumen um Leander
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