Leidenschaft, Die Dich Verfuehrt
das Blöken der Schafe, glitt vom Pferd und kraulte den treuen Hund hinter den Ohren.
Mr. Polymarr, der im Schatten eines Baumes ein Nickerchen gemacht hatte, rappelte sich hoch, wobei er leise vor sich hin fluchte, weil ihm sein Rheuma so zu schaffen machte.
»Morgen«, brummte er, als würde ihm sogar das Sprechen schwerfallen.
»Guten Morgen, Mr. Polymarr«, erwiderte Emily und ließ ihren Blick über die Herde schweifen. Nach dem langen Treck hatten die Tiere dringend eine Pause gebraucht, aber sie würden jetzt viel Gras fressen müssen, um den Winter gut zu überstehen. Im nächsten Frühjahr würden dann die ersten Lämmer geboren werden, und kurz danach würden die Schafe geschoren werden. Die Schur, aus der später Schafswolle gesponnen wurde, würde Emily ebenso verkaufen wie ein paar besonders kräftige Böcke, die sich für die Zucht eigneten.
Das alles würde ihr eine hübsche Summe Geld einbringen, aber so weit war es noch nicht, denn vorher warteten auf die Herde die kalten Monate - und auf sie Tristan Saint-Laurent und noch ein paar andere Probleme.
»Ich hatte nicht erwartet, Sie so bald wiederzusehen«, meinte Polymarr, der ihr entgegengekommen war, und spuckte auf die Erde. »Ich frage mich allerdings, wie Sie das Geblöke dieser Viecher aushalten können.«
Emily lachte. »Die werden sich in ein paar Minuten wieder beruhigen«, erklärte sie. »Aber wenn Spud so bellt, denken sie wahrscheinlich, daß sie gleich wieder weiterziehen müssen.«
Der Alte ging neben Emily zum Hügel, wo er unter einem Baum sein Lager aufgeschlagen hatte. »Ich hatte ja gehofft, bei der Herde bleiben zu können, bis St. Lawrence mir die restlichen drei Dollar bezahlt«, meinte er und kratzte sich am Kopf. Ihm war natürlich klar, daß er für eine einzige Nacht, die er bei den Schafen verbracht hatte, keine fünf Dollar bekommen würde.
Der Blick von hier oben war noch atemberaubender, als Emily erwartet hatte. Sie war einfach überwältigt und hätte ihre Gefühle nicht in Worte fassen können. Es war Freude und Glück, aber noch viel mehr. Sie hielt die Hand über die Augen, um sie vor der Sonne zu schützen. »Ich könnte schon Hilfe gebrauchen.« Emily stellte sich vor, wie sich die Blätter der Bäume im Herbst golden färbten, wie das Land im Winter unter einer weißen Schneedecke lag, wie im Frühling erst die Krokusse und später dann die Glockenblumen und die vielen Wildblumen sprossen und wie im nächsten Sommer die Weiden wieder in sattem Grün in der Sonne leuchteten.
»Wenn Sie wollen, können Sie bleiben«, schlug sie vor, und ihre Stimme klang ein wenig verträumt. »Aber ich sage Ihnen gleich, daß ich Ihnen nicht so viel Geld zahlen will und kann, wie Sie von Tristan bekommen.«
Polymarr rieb sich mit dem Handrücken über die Nase, bevor er wieder auf den Boden spuckte. »Wer ist Trischan?«
»Ich meine Mr. St. Lawrence«, erwiderte sie lächelnd, denn ihr war klar, daß der Alte sie kaum verstanden hätte, wenn sie Saint-Laurent gesagt hätte - wie Tristans Name ausgesprochen wurde. »Ich zahle Ihnen zwanzig Dollar im Monat, aber Sie werden das erste Geld nicht vor dem Frühjahr bekommen.«
»Bis dahin ist es noch lange hin.« Wieder einmal spuckte er auf die Erde. »Wo wollen Sie mit den Viechern hin? Weiter nach Süden?«
Emily seufzte und blickte zum Haus, in dem sie die letzte Nacht verbracht hatte. »Ich habe die Absicht, mich hier auf diesem Land niederzulassen. Wenn Sie mir helfen wollen, können Sie entweder in der Hütte bleiben oder sich einen Schlafplatz im Stall suchen.«
Polymarrs Adamsapfel hüpfte auf und ab. Er zog seine Augen zusammen und hob seinen knochigen Zeigefinger. »Nein, Miss, die Herde kann nicht hierbleiben - selbst wenn Mr. St. Lawrence es erlaubt. Die anderen Rancher werden Amok laufen. Ich habe schon heute nacht erwartet, daß sie kommen würden, um die Schafe zu vertreiben.«
Emily verstand, was er damit meinte. Auf dem Weg von Montana waren ihr ein paarmal Viehzüchter in die Quere gekommen. Die Männer hatten sie misstrauisch beobachtet, während sie die Herde über ihr Land oder durch ihre Stadt getrieben hatte. Ein paar hatten den Hut gezogen, als sie gemerkt hatten, daß der Hirte eine Frau war, ein paar hatten ständig ihre Gewehre auf sie gerichtet, bis die Schafe weitergezogen waren. Nirgendwo war Emily willkommen gewesen. Selbst die Frauen hatten sich von ihr fe rn gehalten. Emily hatte sich wie eine Aussätzige gefühlt. Es war manchmal
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