Leidenschaft, die nie vergeht (German Edition)
nicht leben konnte?
Nachdem er seine Enttäuschung hinuntergeschluckt hatte, erwachte jedoch seine Neugier. Der Brief kam zwar nicht von Serina, aber immerhin von ihrer Tochter, die er einen kurzen Moment lang für sein Kind gehalten hatte. Felicity Harmon war zehn Monate nach der Nacht geboren, in der er zum letzten Mal mit Serina geschlafen hatte, und exakt neun Monate nach Serinas Heirat mit Greg Harmon.
Selbst heute fiel es Nicolas noch schwer zu akzeptieren, was Serina in jener Nacht getan hatte. Sie hatte ihm durch ihren überraschenden Besuch wieder unbegründete Hoffnungen gemacht, und das war grausam gewesen.
Er war jahrelang nicht darüber hinweggekommen, dass sie sich geweigert hatte, mit ihm nach England zu gehen. Doch irgendwann war ihm nichts anderes übrig geblieben als zu akzeptieren, dass sie ihre Familie in Rocky Creek mehr liebte als ihn. Seitdem war er nicht mehr nach Hause gefahren, sondern hatte seiner Mutter Geld geschickt, damit sie ihn zweimal im Jahr besuchen konnte, egal, in welchem Teil der Welt er sich gerade aufhielt.
Doch einige Jahre später war Serina von sich aus wieder auf ihn zugekommen.
Damals hatte er geglaubt, die Geschichte längst hinter sich gelassen zu haben. Es hatte andere Frauen in seinem Leben gegeben – eine Menge Frauen, um genau zu sein. Obwohl die Tatsache, dass er nie mit einer dieser Frauen zusammengelebt, geschweige denn eine geheiratet hatte, ihm eigentlich Beweis genug hätte sein müssen, dass sein Herz immer noch Serina gehörte. Dieses Herz hatte einen riesigen Satz gemacht, als er sie in jener schicksalhaften Nacht vor dreizehn Jahren im Opernhaus von Sydney im Publikum entdeckt hatte. Er erinnerte sich noch heute an das genaue Datum.
Als sie nach dem Konzert zu ihm in die Garderobe gekommen war, hatte er geglaubt zu träumen. Ein einziger Blick in ihre wunderschönen Augen hatte ihm den Verstand geraubt. Er hatte sie wortlos an sich gezogen und die Tür abgeschlossen. Alles Weitere war zwangsläufig geschehen, und irgendwann waren sie erschöpft auf der Couch eingeschlafen.
Beim Aufwachen war Serina weg gewesen. Zurückgelassen hatte sie nur einen Brief, in dem sie ihn um Verzeihung bat, weil sie der Versuchung, noch ein letztes Mal mit ihm zusammen zu sein, nicht hatte widerstehen können. Außerdem hatte sie ihn inständig gebeten, nie mehr mit ihr in Kontakt zu treten, weil sie in ein paar Wochen Greg Harmon heiraten wollte, und daran sei nichts mehr zu ändern. Nicolas kannte den Text ihres Briefs heute noch auswendig.
Du bist ein großer Künstler, Nicolas. Deine Bestimmung ist es, in aller Welt Konzerte zu geben. Dafür lebst du, das brauchst du wie die Luft zum Atmen. Das wurde mir heute Abend wieder ganz deutlich bewusst. Was uns verbindet, ist keine Liebe, sondern etwas anderes. Etwas Dunkles, Gefährliches, das mich zerstören würde, wenn ich ihm weiterhin nachgäbe. Du wirst auch ohne mich überleben, das weiß ich.
Nun, er hatte überlebt … wenn auch nur knapp.
Und doch spielte sein Herz jetzt allein beim Anblick eines rosaroten Briefumschlags verrückt. Vor langer Zeit war er sich sicher gewesen, dass sie seine Gefühle erwiderte. Auf jeden Fall war sie ihm körperlich genauso verfallen gewesen wie er ihr. In dieser Hinsicht hatten sie von Anfang an perfekt harmoniert – erstaunlicherweise, weil sie damals beide noch unschuldig gewesen waren.
Nicolas schüttelte den Kopf. Wenn er geahnt hätte, was sich daraus entwickeln würde, wäre er Mrs Johnsons Vorschlag, mit Serina zum Abschlussball zu gehen, bestimmt nicht gefolgt.
Zu der Zeit hatte Nicolas sich rein gar nicht für Mädchen interessiert. Seine einzige Leidenschaft hatte dem Klavierspiel gegolten.
Dass er auf der Highschool der Schwarm vieler Mädchen gewesen war, hatte ihn kaltgelassen, und über sein gutes Aussehen – er war groß, schlank, blond und blauäugig – hatte er sich nie Gedanken gemacht. Eine Partnerin für den Abschlussball zu finden wäre für ihn mit Sicherheit kein Problem gewesen, aber das war ihm egal, weil er sowieso entschlossen gewesen war, nicht hinzugehen.
Doch seine Mutter hatte das nicht akzeptieren wollen, weshalb er Mrs Johnson am Ende für ihren Vorschlag sogar dankbar gewesen war. Die schüchterne, unscheinbare Serina stellte in seinen Augen keinerlei Gefahr dar, und der Gesprächsstoff drohte ihnen auch nicht auszugehen, weil sie sich beide für Musik interessierten.
Das war jedoch nur graue Theorie gewesen, die Praxis sah anders aus.
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