Leidenschaft in den Highlands
erschrocken.
Er verdrehte die Augen und kippte um.
Herrgott! Avery ließ ihr Schwert fallen und stürzte zu ihm. Hatte sie ihn etwa getötet? Ihr Herz raste.
»Ewan!« Voller Panik rüttelte sie ihn.
Er reagierte nicht.
Hektisch tastete sie seinen Hals ab, um nach dem Puls zu suchen. Aber in ihrer Aufregung fand sie ihn nicht sofort. Ihre Hände zitterten immer stärker. Bis sie endlich das Pochen des Blutes spürte. Erleichtert atmete sie auf.
Er lebte! Dem Himmel sei Dank.
Nun konnte sie sich seinen Kopf ansehen. Die linke Hälfte seiner Stirn war geschwollen und gerötet. Das würde eine hässliche Beule geben.
Ein leises Stöhnen kam über seine Lippen, und sie hoffte inständig, er würde aufwachen und ihr sagen, dass alles in Ordnung sei. Aber anstatt die Augen zu öffnen, drehte er lediglich den Kopf leicht zur Seite, um sich dann nicht mehr zu rühren.
»Es tut mir so leid. Das wollte ich nicht.«
Sie wünschte, sie hätte etwas gehabt, um die Schwellung zu kühlen. Aber hier oben war nichts. Keine Quelle, kein Wasserfall. Sogar das spärliche Gras war nach dem letzten Regen vollkommen vertrocknet.
Was sollte sie nur tun? Unbeholfen bettete sie seinen Kopf auf ihren Schoß und streichelte ihm das dunkle Haar aus dem Gesicht.
Ewan reagierte nicht. Es schien, als würde er tief und fest schlafen. Nichts würde ihn wecken.
Dies war der Moment, auf den Avery die ganze Zeit gewartet hatte. Die Gelegenheit zu fliehen. Niemand würde sie aufhalten, weder die Wachen von Stonewall Castle noch Ewan. Sie konnte den Berg hinabklettern, sichein Pferd organisieren oder zu Fuß bis zur Grenze durchschlagen, um in den sicheren Schoß ihrer Familie zurückzukehren.
Ewan würde kein Druckmittel mehr gegen ihre Leute haben.
Aye, das war ihre Chance. Warum nur fühlten sich ihre Beine an, als wären sie mit dem steinernen Boden verwachsen? Warum brachte sie es nicht über sich, einfach aufzustehen und ihn hier liegen zu lassen? Er war nur leicht verwundet, würde von selbst wieder zu sich kommen. Aber etwas hielt sie. Vor ihrem inneren Auge sah sie einen Wolf, der sich ihm auf leisen Sohlen näherte, um ihn zu zerfetzen. Sie streichelte zärtlich seinen Schopf. Nay, sie konnte ihn nicht alleinlassen.
Da bewegte er sich, drehte sich leicht zur Seite. Seine Augenlider zuckten nervös.
Sie beobachtete ihn wachsam. Wenn sie fliehen wollte, musste sie das sofort tun. Ihr Blick glitt zu den Bens, die Freiheit verhießen.
Dann sah sie in sein Gesicht. Er sah so friedlich aus. Sie seufzte leise, als sie ein Lächeln auf seinen Lippen bemerkte. »Ewan?«, fragte sie leise.
»Mmh?« Er klang, als hätte er einen wunderbaren Traum gehabt. Er räkelte sich, richtete sich ein Stück weit auf, so weit, dass er sein Haupt an ihre Brust schmiegen konnte.
»Wie lange bist du schon wach?«
Er hatte etwas Jungenhaftes an sich, als er sich die Augen rieb und müde zu ihr aufblickte. »Eine Weile.« Er lächelte nun von einem Ohr zum anderen.
Eine Welle von Zärtlichkeit stieg in ihr auf, doch so leicht wollte sie es ihm nicht machen. Sie gab ihm einen Klaps auf die Schulter. »Du hast mich hereingelegt!«
»Nur ein bisschen. Es war so schön, wie du mich gestreichelt hast.«
»Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht.«
Er reckte die Beine. »Auch das hat sich sehr schön angefühlt. Ich wünschte, du würdest dir öfter Sorgen um mich machen.«
Avery war sprachlos.
»Aber nun gibt es noch eine wichtige Lektion für dich zu lernen«, sagte er und erhob sich, schüttelte die Beine aus und streckte den Rücken durch.
»Wovon sprichst du?«
»Du bist schon besser geworden. Führst das Schwert sehr elegant. Aber du musst darauf achten, immer einen festen Stand zu haben. Ganz besonders dann, wenn du auf unebenem Grund kämpfst.«
Sie nickte nur.
»Nun wird es Zeit, dass du den MacCallen-Trick lernst.«
Als sie diesen Namen hörte, musste sie unwillkürlich lachen.
Ewan aber schüttelte streng den Kopf. »Das ist eine sehr ernste Angelegenheit. Wenn du einem Feind gegenüberstehst und selbst keine Waffe hast, bist du verloren. Es sei denn, du weißt dir zu helfen.«
Avery riss sich zusammen. Er meinte es ernst. Außerdem wusste sie, dass Ewans Tricks tatsächlich funktionierten.Sie hatte es ja am eigenen Leib zu spüren bekommen.
»Ich werde dich jetzt angreifen«, sagte er und griff nach seinem Schwert. »Versuche, außerhalb der Reichweite meiner Klinge zu gelangen. Aber nicht, indem du ihr ausweichst, sondern indem
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