Leidenschaft in den Highlands
eigentümliche, doch hinreißende Weise. Dieses Lächeln sah ein wenig anders aus als noch am Morgen. Erst auf den zweiten Blick merkte sie erstaunt und erfreut, dass er seinen Bart gestutzt hatte.
»Du kennst mich, Avery MacBaine. Dieser Schotte hat immer seine Hintergedanken, wenn er solche Vorschläge macht. So es dein Muskelkater zulässt, könnenwir einen Übungskampf auf unebenem Grund austragen. Das ist eine wichtige Lektion.«
»Auf unebenem Grund? Das heißt, in den Bens?«
»Aye. Die Berglandschaft bietet sich dafür an.«
Das klang aufregend, aber auch ein wenig gefährlich. Trotzdem verspürte sie große Lust darauf. Den ganzen Tag im Bett zu verbringen war nicht eben ihre Sache.
»Gut. Wann brechen wir auf?«
Nun war es Ewan, der erstaunt dreinblickte. »Hier hat es aber jemand eilig. Nun gut. Gehen wir doch einfach sofort los.«
Der kühle Wind jagte ihr eine Gänsehaut über die Arme. Sie versuchte, die herbstliche Kälte, die allmählich im Land einzog, so weit wie möglich zu ignorieren. Glücklicherweise regnete es zumindest nicht. Der Himmel hatte sich aufgeklärt, und die dunklen Wolken waren weitergezogen.
Als sie, nach steilem Anstieg, auf einer Hochebene ankamen, löste sie das Seil um ihre Taille, dessen Ende um seine Hüften geknotet war und sie miteinander verband. Ewan tat es ihr gleich. Dann wickelte er es zusammen und legte es auf den Boden, genauso wie die beiden Schwerter, die er auf seinem Rücken transportiert hatte.
»Ein herrlicher Ausblick«, sagte Ewan, der sich auf einen Vorsprung stellte und die Arme zu beiden Seiten ausstreckte, als wollte er sich wie ein Vogel in die Lüfte erheben. Seine Rückenmuskeln spannten sich an. Er hatte ein auffallend breites Kreuz, und seine Haut warfür die eines Schotten ungewöhnlich stark gebräunt. Avery trat vorsichtig an seine Seite. Das Erklimmen eines Berges stellte kein Problem für sie dar, aber sie konnte einfach nicht in die Tiefe hinabsehen. Obgleich sie in den Highlands aufgewachsen war, war es ihr nie gelungen, diese Schwäche zu überwinden.
Ihre Hände tasteten nach seinem starken Arm, während sie den Blick konzentriert geradeaus richtete. Der Himmel machte ihr ganz gewiss keine Angst.
Ewan schien ihre Unsicherheit dennoch bemerkt zu haben. Er musterte sie irritiert.
»Mir schwindelt hier oben etwas«, erklärte sie entschuldigend.
»Hast du etwa Höhenangst?«
»Nay. Nur Respekt vor der Tiefe.«
Er grinste und zog sie vorsichtig zu sich heran.
»Gewöhne dich erst einmal an die Höhe. Keine Sorge, ich halte dich fest. Und dann schau auf die Landschaft. Ist sie nicht atemberaubend?«
Avery sah zu den Bergen um sie herum und versuchte weiterhin alles, was sich unterhalb ihrer Schuhspitzen befand, zu ignorieren. »Aye.«
»Sieh, dort drüben. Das ist Stonewall Castle.«
Die Burg stand auf einem Hügel schräg unterhalb des Vorsprungs. Es kostete sie große Überwindung, sich leicht vorzubeugen. Rote Punkte tanzten vor ihren Augen und verwischten das Bild. Schon spürte sie Ewans Arm auf ihren Schultern. Dankbar lehnte sie sich ein wenig an ihn.
»Keine Angst, sieh dich ruhig um.«
Sie nahm all ihren Mut zusammen und sah in die Ferne. Ihr Blick blieb jedoch nicht auf Stonewall Castle haften, sondern wanderte weiter gen Norden, wo das Land der MacBaines begann. Sehnsucht stieg in ihr auf – nach ihrer Heimat, Green Castle, nach Mutter, Anola und Ann. Wie mochte es ihnen ergehen? Gewiss machten sie sich schreckliche Sorgen um sie, denn sie konnten nicht wissen, wie gut es ihr bei den MacCallens ging. Sie würde Ewan bitten, ihnen einen Brief schreiben zu dürfen. Nur damit sie wussten, dass sie gesund und wohlbehalten war.
Ewan schien ihre Anspannung zu spüren. Er führte sie an der Hand vom Vorsprung auf sicheres Terrain und griff nach den Schwertern. »Hier ist eine gute Stelle. Weitflächig, wie gemacht für einen Übungskampf. Von hier aus siehst du das Tal nicht. Was meinst du?«
Sie nickte. Es war sicher nicht verkehrt, sich etwas abzulenken. »Zu den Schwertern, sage ich.«
Die Waffen kreuzten sich rasend schnell. Trotz des steinigen Untergrunds hielt Avery das Gleichgewicht und wirbelte wild herum. Selbstbewusst stürmte sie mit erhobenem Schwert auf ihn zu, aber er parierte geschickt. Das feurige Funkeln in seinen Augen trieb sie noch mehr an. Attacke folgte auf Attacke, bis Avery plötzlich ausholte und ihn am Kopf traf.
Mit einem Stöhnen sank er auf die Knie.
»Ewan?«, fragte sie
Weitere Kostenlose Bücher