Leidenschaft in Rot
wenn doch, dann werde ich damit fertig.«
Ich ging zum Schreibtisch und warf ihr den Zweitschlüssel zu. Sie fing ihn mit einer geschickten Drehung des Handgelenks auf. Ich erklärte ihr, er sei für die Kajütentür, falls ich bei ihrer Ankunft schon schlafen sollte. Ich führte sie herum. Sie sagte, es wirke sehr gemütlich. Ich war froh, daß ich am Morgen in einem Anfall von Sauberkeitswahn das von Skeeter zerwühlte Bett frisch bezogen hatte. Sie ging zur Kombüse, spülte ihr Glas aus und stellte es zum Trocknen ab. Sie ging zu meinem Schreibtisch, schrieb den Scheck für Gabe, zog die Summe von meinem schwindenden Kontostand ab und legte mir den Scheck zur Unterschrift vor. »Vielleicht wäre es Ihnen recht, wenn ich einen Teil des Bargelds morgen einzahle«, sagte sie. »Ich habe mir Ihre Kontonummer notiert.«
»Sagen wir, die Hälfte. Danke. Erinnern Sie mich morgen daran.«
Ich schlief schon, als sie eintraf. Der leise Gong meiner Alarmglocke weckte mich. Immer, wenn jemand an Bord kommt, läutet sie. Einmal. Das genügt immer. Ich hasse unangenehme Überraschungen. Ich hatte ein Licht für sie brennen lassen. Mit der Knarre in der Hand schlich ich nackt zur Innentür der Kajüte, öffnete sie einen Spalt und spähte aus dem Dunkel hinaus. Ich sah, wie sie die Tür öffnete, nach einem großen Koffer hinter sich griff und leise damit hereinkam. Es war zehn vor eins. Ich ging wieder in mein Bett hinter der geschlossenen Tür zur Kapitänskajüte.
Sie war eine stille Person. Unter meiner Tür war ein Lichtstreifen zu sehen. Kurz darauf hörte ich in der Toilette das Wasser laufen. Der Lichtstreifen erlosch. Ein leichtes Klicken des Riegels zur anderen Kajüte. Nächtliche Stille. Gedämpfte Musik von irgendeinem anderen Boot. Das Donnern eines Lasters auf der Zufahrt. Von weitem das Heulen einer Düsenmaschine.
Eine Frau an Bord, die ganz anders war als alle, an die ich mich erinnern konnte. Die hier war unerschütterlich treu. Manche Leute entwickeln ungeahnte Energien, solange noch ein winziger Funke Hoffnung besteht. Verdammt wenige baggern weiter, wenn da nichts mehr ist. Das menschliche Tier ist im Grunde seines Herzens egoistisch. Weder das behinderte Kind noch der verlorene Ehemann konnten ahnen, wie sehr sie sich um sie sorgte. Die Gesellschaft hätte sie nicht zugrunde gehen lassen, wenn sie damit aufgehört hätte. Niemand hätte ihr etwas vorwerfen können. Aber sie verspürte eine so starke moralische Verpflichtung, daß ihr etwas anderes undenkbar erschien. Sie waren ihre Familie. Daneben gab es für sie keine Überlegungen. Das Leben hatte sie ausgebrannt, aber das, was übriggeblieben war, war immer noch bedeutend mehr Frau als Lysa Dean.
Die nächtlichen Gedanken an Dana Holtzer deprimierten mich. Ich machte eine Bestandsaufnahme meines Lebens - der Ausschlag der Seele der emotional Unsicheren. Mir war, als hätte ich Jahre damit vergeudet, mich mit irgendwelchen ungeheuer dummen Menschen abzugeben. McGee und seine Taschenspielertricks. Ich mästete mich an ihren Problemen, dann nahm ich das Geld, faulenzte eine Weile und holte mir meine Beute quasi Stück um Stück in vorausbezahlten Raten. Ich war weder ein besonders ernsthafter noch ein besonders phantasievoller Bursche.
Aber was, dachte ich, gab es für andere Möglichkeiten? Ich bin kein Achtstundentier. Ich kann nicht an das Märchen glauben, ein geregelter Arbeitstag sei das Wahre, nur weil fast alle in dieser Sackgasse enden. Ich bin kein Durchschnittskonsument mit 2,3 Kindern und 0,7 neuen Autos pro Jahr und einem Feierabendverhältnis mit der Sekretärin. Ich bin nicht auf Geld aus, wie es sich gehört. Ich mag die Busted Flush , die Platten und Gemälde, die kleine Sammlung von unwichtigen Dingen, die Erinnerungen heraufbeschwören. Aber ich könnte auch am Strand stehen und zusehen, wie das alles absäuft und verschwindet, und dabei ein mildes, zynisches Bedauern verspüren. Keine Ehrbare Amerikanische Ehefrau würde eine derartige Einstellung verkraften.
Mit zwiespältigen Gefühlen, die dem rastlosen Tier Travis McGee galten, schlief ich ein und wurde am nächsten Morgen von der Neun-Uhr-Sonne geweckt, die durch die winzigen, fadenscheinigen Gardinen der Kajüte schien. Ich erwachte zum Duft frischen Kaffees und zu einem verstohlenen Klappern aus der Kombüse.
Nach dem Duschen kam ich heraus und fand sie voll geschäftiger, unpersönlicher morgendlicher Munterkeit vor, wie eine Kellnerin in einem guten Hotel. Sie
Weitere Kostenlose Bücher