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Leidenschaft in Rot

Leidenschaft in Rot

Titel: Leidenschaft in Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John D. MacDonald
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Haare abrasieren und ihn rosa anstreichen würde, hätte man eine erkennbare Version von Stan Burley vor sich. Seine Absolventen, die trocken geblieben sind, schicken regelmäßig Spenden.
    Noch bevor ich den Motor abstellen konnte, kam Burley aus seinem kleinen, verglasten Büro auf uns zugestürmt. Es war warm und schön, elf Uhr am Mittwochmorgen. Die Bucht vor Florida leuchtete blau.
    »Hallo, McGee«, sagte er mit ausgestreckter Hand und einem gespannten Blick auf Dana, die er offenbar für einen neuen Gast hielt.
    Ich stellte sie einander vor. »Wir sind gekommen, weil wir mit jemandem von deinen Leuten sprechen wollen, Stan«, sagte ich rasch. »Wenn es sich machen läßt. Nancy Abbott.«
    Das Begrüßungslächeln verschwand von seinem Gesicht. Er biß sich auf die Lippe »Miss Holtzer, warten Sie doch bitte einen Augenblick in meinem Büro. Jenny wird Ihnen ein schönes Glas Eistee bringen.« Sie nickte und ging. Burley führte mich zu einer Holzbank im Schatten.
    »Worum geht’s, Trav?«
    »Sie war vor eineinhalb Jahren in eine Sache verwickelt. Ich möchte ihr ein paar Fragen darüber stellen. Ist sie in Ordnung?«
    Er zuckte die Achseln. »Sie ist trocken, wenn das was zu bedeuten hat. Seit Oktober schon. Eigentlich dürfte ich dir das gar nicht sagen. Aber du hast dir damals solche Mühe mit Marianne gegeben. Weiß Gott, wir haben schwer gekämpft, aber sie haben wir verloren, Junge. Eins will ich dir sagen, es mir macht einige Gewissensbisse, sie hierzubehalten, diese Nancy. Das ist kein Platz für sie, aber einen anderen gibt es auch nicht, nicht mehr. Schickt dich ihr Vater?«
    »Nein.«
    »Im Oktober hat eine pensionierte Polizistin die Kleine hier abgeliefert. Sturzbesoffen und auf neunzig Pfund abgemagert. Delirium und Krämpfe. Erbarmungswürdig. Damals hab ich tausend bekommen, und jetzt bekomme ich tausend pro Monat von einer Bank in San Francisco. Einmal im Monat schreibe ich der Bank einen Krankenbericht. Nachdem wir sie hochgepäppelt hatten, kam sie mir komisch vor. Ich hab sie von einem befreundeten Arzt untersuchen lassen. Die Sauferei ist nur der eine Teil. Aber der Tausender im Monat sorgt dafür, daß noch eine Menge anderer hier bleiben können. Ich bin ein böser, alter Mann, Trav.«
    »Was stimmt nicht mit ihr?«
    »Körperlich ist sie gesund wie ein Pferd. Sie ist erst vierundzwanzig. Sie hat seit neun Jahren getrunken, die letzten fünf davon schwer. Das reicht nicht, um wirklich Schaden anzurichten. Aber mental, da hat sie’s abgekriegt.«
    »Ist sie geisteskrank?«
    »Junge, gesund ist sie jedenfalls nicht. Sie ist vor langer Zeit von Leuten behandelt worden, die es zu gut gemeint haben. Von Leuten, die dachten, Elektroschocks seien die Antwort auf alles. Eine Behandlung gegen Angst und depressive Symptome. Soweit ich es sehe, haben sie ihr zwanzig volle Serien verpaßt. Das und die alkoholischen Krämpfe, das hat zu degenerativen Schädigungen geführt. Ihr Denkvermögen ist angekratzt. Sie kann abstrakte Zusammenhänge nicht begreifen. Sie ist in einem manisch-depressiven Zyklus gefangen. Du erwischst sie grade im besten Moment. Sie ist jetzt auf dem aufsteigenden Ast, aber noch nicht zu weit droben. Das sind ihre glücklichsten Zeiten. Wenn nicht allzuviel von ihr verlangt würde, käme sie so draußen ganz gut zurecht. Dann wird sie aber bald richtig wild. Gewalttätigkeiten, zwanghafte Nymphomanie und eine Gier nach einem Drink, daß sie einen Mord dafür begehen würde. Dann laß ich sie fixieren. Und dann geht’s abwärts bis ganz tief runter. Sie spricht tagelang nichts. Dann kommt sie langsam wieder hoch.«
    »Wie steht es mit ihrem Gedächtnis?«
    »Zeitweise gut und zeitweise weg.«
    Ich musterte das müde Affengesicht und erinnerte mich, wie er von Marianne gesprochen hatte. Von Liebe und Zerstörung.
    »Was hat sie so fertiggemacht, Stan?«
    »Sie? Ihr Vater war’s. Der bewunderte, begabte, allmächtige Vater. Es war eine grauenvolle Ehe. Das arme Kind war seiner Mutter zu ähnlich, und da konnte der Vater nicht anders, als sie zu verabscheuen. Er wies sie zurück. Und weil sie nicht verstehen konnte, wieso - genau wie Marianne - ist sie in dem Bewußtsein aufgewachsen, daß sie absolut wertlos ist und nichts taugt. Und da fangen die Zwangsvorstellungen an, McGee. Grundlose Wertlosigkeit kann kein Mensch ertragen. Daher entwickeln sie ein Verhaltensmuster, das ihnen ihre Wertlosigkeit beweist. Bei der Kleinen waren es Sex und Alkohol. Die Schuldgefühle machten

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