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Leidenschaft in Rot

Leidenschaft in Rot

Titel: Leidenschaft in Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John D. MacDonald
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Umhänge, Schals und Stolen gehüllt. Sie wirkte, als hätte sie genügend innere Hitze, um sich auch bei zehn Grad minus noch pudelwohl zu fühlen. Ihr Körper unter dem leichten Stoff war voll, langbeinig und makellos. Ohne Make-up wirkte sie beinahe wie ein kühner Heldenknabe, ein Page aus der Zeit König Arthurs. Oder eine idealisierte Johanna von Orleans. Ihre schräg geschnittenen graugrünblauen Isländeraugen besaßen die Kälte arktischer Meere. Ihr Haar war eine volle, schwere, fast weißgoldene Lockenpracht, die ihr in die hohe, gerade Stirn fiel. Sie hatte nur wenig zu sagen und sagte es auf eine schläfrige, desinteressierte Art. Ihre Augen waren auf der ständigen Suche nach ihrem Gatten. Über ihrer robusten Wikingerschönheit lag wie ein seltsamer, matter Firnis ein fast greifbarer Schleier von Sinnlichkeit. Er war eingebrannt in die träge, schwere Rundung ihres Lächelns, wurde hervorgehoben durch den zarten violetten Schatten unter den Augen, betont durch den Schwung ihrer hohen, runden Hüften, wenn sie vor einem stand. Obwohl sie bei weitem die Jüngste hier war, wirkte sie zugleich viel älter, so als hinge sie seit tausend Jahren am Bugspriet eines antiken Schiffs. Und alle Frauen hier haßten und fürchteten sie. Ihr Anblick bestätigte meine Vermutungen über Vance M’Gruder. Diese Frau wie eine Flagge oder Medaille vor sich herzutragen, war das höchste Gütesiegel einer auf Konkurrenz ausgerichteten Männlichkeit. Sie machte einen seltsamen, urtümlichen Eindruck sexueller Hingebung. Sie hing einzig an M’Gruder, war völlig auf ihn fixiert. Würde aber ein Stärkerer, Entschlossenerer kommen und sie ihm wegnehmen, würde sie ihre Treue, ohne zu fragen oder zu zögern, auf diesen richten. Ein Mann wie M’Gruder würde alles riskieren, um sie zu bekommen. Und das hatte er auch, dessen war ich sicher. Ich dachte an M’Gruders frühere Gewohnheiten und Neigungen. Ich fragte mich, ob er sich wohl, wenn seine körperlichen Kräfte ihn nach und nach im Stich ließen, damit stimulieren würde, indem er sie verdarb. Für ihn war eine Frau etwas, was man besaß, was man nach seinen Wünschen benutzte.
    Als ich später in einer Gruppe mit M’Gruder zusammenstand, schaute ich zu Dana hinüber, die sich alleine leise mit Ulka unterhielt. Ulka nickte. Sie beobachtete Vance. Mit Vance kam ich nicht weiter. Ich versuchte es mit Kennen-Sie-den und nannte die Namen verschiedener Segelfans in Florida, die ich kenne. Ja, er kannte sie auch, klar. Und jetzt? Ich bekam das Gefühl, mit Banalitäten sei sein Interesse nicht zu wecken. Er war zwei fürchterliche Risiken eingegangen, um diese Wikingerprinzessin zu ergattern und festzuhalten. Jetzt wollte ihm vielleicht jemand die Schlinge um den Hals legen und allem ein Ende machen. Solche Befürchtungen machen einen lockeren Smalltalk nahezu unmöglich. Ich verstand nicht, wie M’Gruder hatte versprechen können, dieses Wesen wieder aufs College zu schicken. Ich konnte mir nur schwer vorstellen, daß sie den Lenden eines Akademikers entsprungen war. Wenn in früheren Zeiten eine solche Kostbarkeit aufgetaucht war, brachte ein Dienstmann des Königs die Neuigkeit zum Schloß. Das Mädchen verschwand für immer in den königlichen Gemächern, und die Familie erhielt zum Ausgleich einen kleinen Sack Goldmünzen. In unseren eher willkürlichen Zeiten wurden sie von Ölmagnaten, berühmten Sportlern, Fernsehmoguln und M’Gruders weggeschnappt. Der Mann jedoch, der eine erwischt, muß immer auf der Hut sein, denn er wird sie niemals wirklich besitzen, es sei denn, er ist wirklich ein König. Sie ist eine befristete Leihgabe der Vorsehung.
    Später saß ich in einem großen Spielzimmer im Haus in Ulkas Nähe, während sie sich durch ein riesiges rohes Steak säbelte und biß. Messer und Zähne blitzten, Kiefermuskeln und Kehle arbeiteten, und die Augen blickten leer in voller Konzentration auf diesen fleischlichen Genuß. Unter der Anstrengung trat ein dünner Schweißfilm auf ihre Stirn. Am Ende nahm sie den Mittelknochen in die Hand und knabberte ihn ab, wobei auf ihren Lippen und Fingerspitzen das Fett glänzte. An ihrer Gier war nichts Vulgäres, nicht mehr, als wenn ein Tiger den Hüftknochen seines Opfers zermalmt, um das Mark auszusaugen.
    Die Party löste sich auf. Es war genügend Platz, damit sich alle über Haus und Gelände verteilen konnten. Die Zusammensetzung der verschiedenen Gruppierungen richtete sich eher nach der Menge des genossenen Alkohols

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