Leidenschaft und Pfefferkuchen
normales Leben geblieben war. Alle Streuner dieser Welt, denen sie Gutes zu tun versuchte, konnten das Gefühl nicht ausmerzen, allein dazustehen.
Den Männerstimmen zu lauschen, erinnerte sie an ihren Bruder. Sie hoffte, dass er in Chicago viel Spaß hatte. In der kommenden Woche wollte sie ihn besuchen und sich alles über seine Reise erzählen lassen.
Andrew, dem Therapeuten der Schule, zufolge, war Dirk sehr gut darin, Freundschaften zu schließen. Er hatte seinen Platz im Leben gefunden, zumindest für die nächsten Jahre. Was sein Seelenheil anging, konnte Darcy endlich aufatmen und sich entspannen. Nun war ihre einzige Sorge, genug Geld zu verdienen, um die Schule bezahlen zu können. Doch das war der leichtere Teil. Im Laufe der Jahre hatte sie bewiesen, dass sie zu harter Arbeit fähig war.
Sie hatte außerdem gemerkt, dass sie eine recht fürsorgliche Person war. Es gefiel ihr, sich um andere zu kümmern, ob es nun darum ging, im Krankenhausauszuhelfen oder Leute ohne Familienanschluss zu einem Festtagsessen zu sich nach Hause einzuladen. Es gefiel ihr …
Darcy riss sich aus ihren Gedanken, als Mark einen Korb warf. Sie applaudierte gebührend, bevor sie sich wieder auf ihre Überlegungen konzentrierte. Mitten in ihrer Selbstbeweihräucherung fiel ihr plötzlich auf, dass sie zwar bereit war, Bedürftige in ihr Leben zu lassen, aber selten jemandem wirklich ihr Herz öffnete. Abgesehen von Dirk ging jeder, mit dem sie sich anfreundete, letztlich seiner Wege. Allein dadurch, dass sie die Leute „meine Streuner“ nannte, schuf sie Distanz in ihrer Beziehung zu ihnen. Sie war mit niemandem in Whitehorn eng befreundet. Sie wollte die Schuld darauf schieben, dass sie noch nicht lange in der Stadt war – es waren bloß sechs Monate. Aber daran lag es nicht wirklich. Denn auch in Arizona hatte ihr kaum jemand richtig nahegestanden.
Warum bleibe ich immer für mich? Was hat mich dazu gebracht, mich von anderen zurückzuziehen? Lag es an den erniedrigenden Ereignissen nach dem Tod ihrer Eltern? War es das Bedürfnis, stets die Kontrolle zu behalten? Bestrafte sie sich dafür, dass sie in ihrer Jugend zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen war?
Sie wusste keine Antworten, und das deprimierte sie. Schließlich war sie schon fünfundzwanzig. Hätte ich mein Leben nicht längst auf die Reihe kriegen sollen?
Auch darauf fand sie keine Antwort. Daher richtete sie die Aufmerksamkeit auf das Spiel. Es endete mit einem wilden Angriff von Marks Team. Drei Körbe in Folge bescherten ihm den Sieg.
Er holte ein Handtuch aus seiner Sporttasche, legte es sich um den Hals und sank neben ihr auf die Bank. „Beeindruckend, was?“, fragte er, während er sich das Gesicht abwischte.
„Ich war gefesselt vor Ehrfurcht“, flachste sie. „Deine körperliche Leistungsfähigkeit stellt die aller anderen Männer in den Schatten.“
„Ich weiß.“
Sie lachte, und er grinste sie an. Die Verbundenheit zwischen ihnen, die sie so nervös machte, war deutlich zu spüren.
Einige Männer kamen auf dem Weg zu den Umkleideräumen vorbei, um sich noch einmal für die Zimtschnecken und den Kaffee zu bedanken.
„Keine Ursache“, antwortete sie.
Mark nahm das letzte Gebäck aus der Schachtel und biss hinein. „Was fängst du mit dem Rest des Tages an?“
„Ich backe. Für die kommende Woche ist einiges zu tun. Ich will alles für das Hip Hop vorbereiten.“
„Ach ja, du hoffst ja, der neue Lieferant zu werden.“ Er nahm einen Schluck kalten Kaffee. „Woher willst du die Zeit nehmen, um den Auftrag auszuführen, falls du einen Vertrag bekommst? Willst du den Job als Kellnerin aufgeben?“
„Auf keinen Fall. Wenn es sein muss, gebe ich meinen Schlaf auf.“
Er beugte sich zu ihr und küsste sie auf die Wange. „Nicht schlecht für ein reiches Mädchen aus der vornehmen Vorstadt.“
„Danke.“
Er blickte sie unverwandt an. „Ich meine das ernst, Darcy. Du bist beeindruckend.“
Sein Kompliment machte sie ganz flatterig im Innern. „Tja, ich tue, was getan werden muss.“ Sie fragte sich, was er sagen würde, wenn er von Dirk wüsste. Bestimmt würde er mich noch mehr bewundern und sich weniger mit mir abgeben wollen.
„Komm, ich begleite dich zu deinem Auto.“
Als sie ihre Jacke anziehen wollte, trat Mark hinter sie, um ihr zu helfen. Es war eine höfliche Geste, die wenig zu sagen hatte, und doch wünschte sich Darcy, dass sie etwas bedeutete. Ebenso wie das flüchtige Küsschen auf die Wange, das er
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