Leidenschaft und Pfefferkuchen
meine wärmste Jacke mit“, fuhr er fort. „Die, die du mir letzten Monat gekauft hast. Weißt du noch?“
Darcy nickte.
„Wir werden im Zug schlafen. Andrew sagt, dass es für uns Truthahn zum Abendbrot gibt, wenn wir im Hotel ankommen.“
„Darüber will ich alles wissen. Schreibst du alles in dein Tagebuch, damit du auch nichts vergisst?“
Er nickte. „Ich nehme den Fotoapparat mit, den du mir zum Geburtstag geschenkt hast. Ich will ganz viele Bilder machen.“
„Oh, dabei fällt mir was ein.“ Sie bückte sich, wühlte in ihrer Tasche und holte eine Packung mit einer Speicherkarte heraus. „Das ist für dich.“
Dirk starrte auf das Geschenk und dann in ihr Gesicht. „Darcy?“
Sie wusste, was er damit fragen wollte und welche Sorge ihn veranlasste, die Augenbrauen zusammenzuziehen und sie so eindringlich zu mustern. Ihr Bruder mochte das träge mühselige Auftreten eines Menschen haben, der sich nicht im Takt der etablierten Welt bewegt, aber er war kein Idiot. Er wusste, dass das Geld für sie beide seit langer Zeit knapp war. Er ahnte zwar nicht, wie viel sein Schulbesuch sie kostete oder wie viele Nächte sie wach lag, in die Dunkelheit starrte und betete, dass sie es schaffte, doch er erriet, dass sie es nicht leicht im Leben hatte.
Sie drückte ihn schnell an sich. „Das ist nur eine SD-Karte, Dirk. Die kann ich mir leisten.“
Er wirkte trotzdem besorgt, als sie ihn losließ. „Ich habe doch mein Taschengeld. Ich kann es dir wiedergeben.“
„Nein, das ist dein Geld. Gib es für dich selbst aus. Aber wenn du mir eine Ansichtskarte aus Chicago mitbringen willst, dann sage ich nicht Nein.“
Er nickte. „Ich bringe dir zwei.“
„Das wäre großartig.“
Er nahm die Filme, die sie ihm reichte, und drehte sie in den Händen. In Flanellhemd und verwaschenen Jeans sah er aus wie jeder andere Vierzehnjährige. Aber das war er nicht. Seine Schwierigkeiten waren schon in seinem ersten Lebensjahr hervorgetreten. Ihre Eltern waren daran verzweifelt, doch Darcy liebte ihn für seine Einzigartigkeit umso mehr.
„Ich werde dich morgen vermissen“, sagte sie, um das Thema zu wechseln. „Ich werde an dich denken.“
Es war das erste Thanksgiving, das sie voneinander getrennt verbringen würden. Sie versuchte, es mit Fassung zu tragen.
Die Heiterkeit kehrte in seinen Blick zurück. „Wir fahren mit dem Zug. Ich bin noch nie mit einem Zug gefahren.“ Sein Lächeln schwand. „Ich werde dich auch vermissen.“
„He, keine langen Gesichter! Nur glückliche Leute dürfen nach Chicago fahren“, verkündete eine männliche Stimme.
Darcy und Dirk blickten beide auf.
Andrew, einer der Therapeuten der Schule, gesellte sich zu ihnen. Er setzte sich in den Schaukelstuhl neben dem Sofa und erkundigte sich: „Wie geht es Ihnen, Darcy? Haben Sie viel zu tun?“
Sie dachte an ihre Schicht im Hip Hop Café. Im Anschluss daran pflegte sie jeden Nachmittag und Abend stundenlang zu backen. Außerdem musste sie die Zutaten für ihre Heimarbeit einkaufen und Zeit für die Auslieferung finden. Dazu kam nun auch noch die Zubereitung eines Thanksgiving-Dinners an einem ihrer seltenen freien Tage. „Ich schaffe es, mich beschäftigt zu halten“, erwiderte sie trocken.
„Das kann ich mir denken.“ Er deutete mit dem Kopf auf die Filme, die Dirk noch immer in den Händen hielt, und sagte zu ihm: „Du wirst ganz viele schöne Dinge in der Stadt sehen. Darcy wird sich sehr über deine Bilder freuen.“
Dirk grinste. „Ich will sie in mein Fotoalbum kleben und dazu schreiben, wo ich sie gemacht habe.“
„Ich freue mich darauf“, sagte Darcy aufrichtig. Sie wollte jedes Detail von seiner ersten Reise ohne sie erfahren.
„Er macht große Fortschritte in der Fotografie“, verkündete Andrew, „und er hat sogar bei einigen anderen Schülern Interesse dafür geweckt. Deshalb wird im neuen Jahr ein hiesiger Fotograf mehrmals in der Woche Unterricht geben.“
„Das klingt fabelhaft.“
„Wir tun alles, was Erfolg verspricht.“
Zufrieden lehnte Darcy sich zurück. Wann immer sie ihre Entscheidung infrage stellte, Dirk und sich selbst zu entwurzeln und ausgerechnet nach Montana zu ziehen, rief sie sich in Erinnerung, dass diese Schule zu den besten im ganzen Land zählte. Wo sonst bekäme ihr Bruder rund um die Uhr die Aufmerksamkeit von hervorragend ausgebildetem Personal?
Andrew, Doktor der Psychologie, war Mitte dreißig und lebte zusammen mit seiner Frau, die gerade ihr erstes Baby
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