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Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall

Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall

Titel: Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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sind. Aus diesem Grund haben die sich auch den Wecker gestellt und tigern nun mitten in der Nacht auf dem Flur herum. Und deshalb auch die Aspirin, die ich dreimal am Tag schlucken soll. Aber warum haben mich weder der Doc noch meine Kameraden darüber informiert. Warum hat mich keiner von ihnen geweckt? Wollten sie etwa, dass ich heute Nacht nicht mehr aufwache? Aber warum? Was hab ich ihnen denn nur getan?

3. Etappe
    Dienstag, 30. Juni
     
    Am nächsten Morgen schlich Tannenberg wie immer auf Zehenspitzen die Holztreppe hinunter. Bei jedem knarrenden und quietschenden Geräusch der alten Dielen verwandelte sich sein Gesicht in eine schmerzverzerrte Grimasse. Nachdem er endlich die Eingangstür der elterlichen Parterrewohnung erreicht hatte, entspannten sich seine verkrampften Gesichtszüge. Erleichtert beschleunigte er seinen Schritt und trippelte die Sandsteinstufen hinab zur Haustür.
    Doch trotz aller Anstrengungen ertönte plötzlich die schneidende Stimme der Mutter in seinem Rücken: »Wolfi«, zog sie die ungeliebte Koseform seines Vornamens in die Länge, »du kommst hier nicht vorbei, ohne dass ich dich höre. Das müsstest du doch inzwischen wissen. Du hast doch bestimmt noch nicht gefrühstückt, oder?«
    Wolfram Tannenberg hielt bereits den Metallgriff der Haustür in der Hand, doch er brachte es einfach nicht übers Herz, nun sang- und klanglos zu verschwinden. Also wandte er sich zu der Seniorin um. »Nein, Mutter«, antwortete ihr jüngster Sohn. »Dazu hab ich jetzt auch keine Zeit. Das mach ich nachher in der Kantine.«
    »Kantine«, wiederholte die alte Dame voller Abscheu. »Wenn ich dieses schreckliche Wort nur höre, läuft es mir schon kalt den Rücken runter.«
    »Ich weiß, Mutter. Aber ich hab’s wirklich eilig. Tschüss!«
    Ohne den Blick nach vorne zu richten, zog er die Tür auf und stürmte hinaus auf den Bürgersteig der Beethovenstraße. Dabei übersah er die straff gespannte Hundeleine, mit deren Hilfe die Schleicherin gerade versuchte, ihren kugelrunden Pudel in eine andere Richtung zu zerren. Während der stark übergewichtige Hund aufjaulte und sein Frauchen nur Sekundenbruchteile später hysterisch zu schreien begann, landete Tannenberg kopfüber in einer Pflanzinsel.
    »Ach du Scheiße«, zischte der Leiter der Kaiserslauterer Mordkommission.
    Treffender konnte er seine aktuelle Lage wirklich nicht beschreiben, denn Hose, Hemd sowie sein rechter Handteller waren mit Hundekot verschmiert.
    »Bäh, pfui Deibel«, stieß er angewidert aus.
    Er schraubte sich in die Höhe, wobei er die beschmutzte Hand wie bei einer Vogelscheuche weit nach außen streckte.
    Während sich einige der Fenster der angrenzenden Häuser öffneten, rief das Gezeter Kurt auf den Plan. Da ihm jedoch zunächst ein wenig der Überblick zu fehlen schien, tat er einfach das, was ein Familienhund in solch einer Situation für gewöhnlich auch tun sollte: Er ergriff völlig einseitig Partei – selbstverständlich für das involvierte Familienmitglied, in diesem Falle also für sein Herrchen.
    Mit aufgerichteten Nackenhaaren baute er sich vor der Schleicherin auf und bellte und knurrte sie so bedrohlich an, dass selbst der ›Hound of the Baskervilles‹ vor Angst erstarrt wäre. Die bleiche, alte Frau zitterte wie Espenlaub. In Panik presste sie ihren vierbeinigen Liebling nun noch fester an ihre Brust, was dessen Atemnot verstärkte und sein hysterisches Kläffen schriller werden ließ.
    »Hilfe, Hilfe«, schrie sie. »Warum hilft uns denn niemand?«
    »Regen Sie sich mal ab«, blaffte Jacob, der inzwischen neben seinem Sohn stand und Kurt am Halsband festhielt. »Was müssen Sie Ihren blöden Köter auch immer auf unserer Straßenseite ausführen. Warum gehen Sie nicht in den Stadtpark. Das machen doch alle anderen auch.«
    Die Schleicherin nahm Jacobs forschen Appell überhaupt nicht wahr. Sie war gedanklich völlig mit ihrem Hund beschäftigt, der ihr gerade die Jacke vollsabberte und dabei hektisch nach Luft schnappte.
    »Ich muss meinen armen Schatzi sofort zum Tierarzt bringen«, stieß sie hechelnd hervor. »Er muss untersucht werden.« Ein zorniger Blick traf Tannenberg. »Und die Kosten dafür übernehmen Sie.«
    »Selbstverständlich. Allerdings nur, wenn er dieses Mistvieh anschließend zum Abdecker bringt«, giftete Tannenberg zurück.
    Er war selbst erschrocken über die Boshaftigkeit dieser Worte, die eben unbedacht aus seinem Mund hervorgesprudelt kamen. Aber er hegte nun einmal einen

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