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Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall

Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall

Titel: Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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Sohnes.
    »Ja«, gab Tannenberg gequält zurück.
    Erfreut knetete der Senior die Hände. »Endlich wieder was los.« Seine Mimik änderte sich urplötzlich. »Und was machst du dann hier in der Stadt?«, grummelte er mit vorwurfsvollem Unterton. »Musst du denn nicht die Ermittlungen leiten? Also Zeugen befragen, Alibis überprüfen und so weiter.«
    »Ich bin gerade dabei«, log Tannenberg. »Oder glaubst du etwa, ich gehe während meiner Arbeitszeit in der Fußgängerzone spazieren? Ich bin ja schließlich kein Rentner.«
    Während sich ein schalkhaftes Lächeln auf Jacobs Gesicht ausbreitete, fragte er: »Und warum ermittelst du dann im Supermarkt?« Er wies mit dem Kinn auf die Einkaufstüte seines Sohnes. »Was hast du denn da in der Plastiktüte?«
    »Leichenteile, Vater, nichts als blutige Leichenteile. Die bringe ich jetzt Rainer in die Gerichtsmedizin«, entgegnete Tannenberg und verschwand grinsend in dem Menschenstrom, der wie eine zähe Lavamasse an den Tchibo-Tischen vorbeifloss.
     
    Auf dem Rückweg zum Pfaffplatz unternahm der Leiter der Kaiserslauterer Mordkommission einen Schwenk über den nahe gelegenen ›Kotten‹, einem Wohngebiet, das aufgrund seiner engen Gassen der Albtraum eines jeden Fahrschülers war.
    In einer Metzgerei, die bei der Bevölkerung geradezu Kultstatus besaß, kaufte er zwei frisch gebratene Pferdefrikadellen. Beide überlebten den kurzen Weg in sein Büro nur deshalb, weil er vergessen hatte, sie mit Ketchup zu bestreichen. Und eine Frikadelle ohne Ketchup war für ihn ähnlich unerträglich wie die Tatsache, dass sein geliebter 1. FCK nicht mehr in der 1. Bundesliga spielte.
    »Flocke, ich möchte die nächste halbe Stunde nicht gestört werden – Mittagspause«, posaunte er in den Vorraum des K 1.
    »Alles klar, Chef«, ertönte es hinter einem großen Flachbildschirm.
    »Was gibt’s denn Gutes?«, fragte Petra Flockerzie, während ihr pausbäckiger Kopf neben dem Monitor auftauchte. Natürlich hatte sie den verführerischen Duft bereits erschnüffelt.
    »Ach, nur zwei hundsgewöhnliche Pferdefrikadellen«, antwortete er eher beiläufig.
    »Was denn nun, Chef: Hunde- oder Pferdefrikadellen?«
    »Wie?«, fragte Tannenberg, dem im ersten Augenblick nicht klar war, was seine Sekretärin meinte. Als er endlich das Wortspiel verstand, hielt er sich lachend den Bauch. Mit Tränen in den Augen öffnete er den Kühlschrank und raubte ihm die Ketchupflasche.
    Derweil erklang in seinem Rücken ein von Schmatzgeräuschen begleitetes helles Summen. »Darauf hätte ich auch mal wieder Lust.« Mit einem Stoßseufzer fügte Petra Flockerzie an: »Aber die vielen Kalorien.«
    »Die stören mich nicht, Flocke«, entgegnete ihr Vorgesetzter mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Ich kaue einfach schneller, das erhöht den Kalorienverbrauch.«
    Nachdem er in seinem Büro den quälenden Heißhunger gestillt hatte, ging er zum Waschbecken und säuberte seine mit roten Ketchup-Spritzern beklecksten Hände. Während er in den Spiegel schaute, erinnerte er sich an die spitzen Bemerkungen Dr.   Schönthalers.
    Mit der Zunge beulte er nacheinander die eingefallenen Wangen aus. Dann runzelte er die Stirn und schnitt ein paar Grimassen. Blitzartig entspannte er die Gesichtsmuskeln wieder, doch die strahlenförmigen Falten um Augen, Mund und Ohren herum waren immer noch da. Genauso wie die Altersflecken, die immer zahlreicher wurden. Anschließend inspizierte er eingehend die leichten Tränensäcke unter seinen Augen. Er versuchte, sie mit den Fingerkuppen wegzudrücken, natürlich ohne Erfolg.
    »So ein Scheiß«, fluchte er leise vor sich hin. »Hanne ist über 15 Jahre jünger als ich und sieht noch richtig knackig aus. Und ich? Ich sehe von Tag zu Tag älter aus.«
    Seufzend beendete er den deprimierenden Anblick seiner verwelkenden Haut und schlenderte zurück zu seinem Schreibtisch. In einer unscheinbaren Plastiktüte erwartete ihn dort eine wahre Anti-Aging-Bombe, sofern man gewillt war, Dr.   Schönthalers Aussagen Glauben zu schenken.
    Tannenberg legte die Tafel Bitterschokolade vor sich hin und bestaunte sie ein paar Sekunden lang wie eine wertvolle Reliquie. Danach wandte er sich dem vermeintlich ›exquisiten, unvergesslichen Geschmackserlebnis‹ zu, welches die goldene Schrift dem Konsumenten versprach.
    Zuerst entfernte er den Pappkarton. Zum Vorschein kam eine mit Silberfolie ummantelte flache Tafel, unter deren Umhüllung sich zehn Einzelfelder abzeichneten. Er brach die Tafel

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