Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall
bitte Ihre Fragen.« Betont auffällig blickte er auf seine protzige Armbanduhr. »Ich habe schließlich heute noch etwas anderes zu erledigen. In meiner Großkanzlei in Frankfurt wartet jede Menge Arbeit auf mich. Und die Rennfahrer müssen zum Training.«
Wie von Professor Grabler gefordert, beantwortete Florian die Fragen so knapp wie nur irgend möglich. Seine nächtlichen Beobachtungen behielt er auch weiterhin für sich. Zum Thema Persönlichkeit und Gewohnheiten des ermordeten Mechanikers konnte er nichts Produktives beitragen, denn er war schließlich erst vor Kurzem zum Team gestoßen.
Nach knapp zehn Minuten wurde der Jungprofi entlassen und Tannenberg wandte sich dem nächsten Turbofood-Mitglied zu. Doch alle von ihm befragten Personen sagten im Prinzip ein und dasselbe aus: Angeblich hatte keiner irgendetwas Auffälliges in der letzten Nacht bemerkt.
Im Hinblick auf den ermordeten Joop van der Miel hielt man sich ebenfalls sehr bedeckt. Der Mechaniker sei ein besessener Workaholic, aber auch ein unzugänglicher Eigenbrötler gewesen. Lediglich Pieter Breedekamp, der so etwas wie van der Miels Gehilfe war, kannte ihn offensichtlich ein wenig besser.
Aber da der junge Holländer erst seit einem halben Jahr für den Turbofood-Rennstall arbeitete, beschränkten sich diese Informationen auf eher unbedeutende Details aus seinem Privatleben. Danach war Joop van der Miel unverheiratet und kinderlos geblieben. Die einzige Verwandte, mit der er ab und an telefonierte und die er auch manchmal besuchte, war den Angaben zufolge seine in Den Haag lebende Schwester.
Als Letzter des Teams kam Bruce Legslow an die Reihe. Er wurde ebenfalls von Professor Grabler begleitet, der, wie schon bei den anderen Ausländern auch, als Übersetzer fungierte. Da Wolfram Tannenberg über respektable Englischkenntnisse verfügte, hätte er dieser Hilfe zwar nicht bedurft, aber so konnte er kontrollieren, was und wie der Anwalt die Aussagen seiner Mandanten übersetzte.
Legslow demonstrierte Langweile und Teilnahmslosigkeit. Die gestellten Fragen beantwortete er nur unwillig und stichwortartig. Die ganze Zeit über malträtierte er laut schmatzend den Kaugummi in seinem schmallippigen Mund. Dabei durchbohrten seine stahlblauen Augen den Kriminalbeamten mit einem eiskalten, arroganten Blick.
Mit diesem Blick willst du abgehalfterter Superstar mir nicht nur deine vermeintliche Unantastbarkeit demonstrieren, sondern auch deine Verachtung, dachte der Leiter der Kaiserslauterer Mordkommission. Wahrscheinlich spürst du intuitiv, wie sehr mich Typen wie du ankotzen. Ich hätte richtig Lust, dir eine in die Schnauze zu hauen.
Plötzlich vibrierte Tannenbergs Handy. Er zuckte zusammen und zog es mit fahriger Hand aus der Hosentasche. ›Leichenschnibbler ruft an‹ blinkte auf dem Display. Er verließ das Hotelzimmer und drückte die grüne Taste.
»Was ist …« Weiter kam er nicht.
»Los, schwing die Hufe und komm sofort zu mir. Ich hab etwas sehr Interessantes entdeckt«, befahl Dr. Schönthaler.
Noch bevor sein verdatterter Freund irgendetwas antworten konnte, war die Verbindung bereits unterbrochen.
Nachdem Tannenberg sich bei Sabrina über die Ergebnisse ihrer Befragungen informiert hatte, fuhr er zurück in die Stadt. In den tristen Katakomben des Westpfalz-Klinikums wurde er bereits sehnsüchtig erwartete.
»Da bist du ja endlich. Bist du etwa über Paris gefahren?«, polterte der Rechtsmediziner sogleich los, als er seinen alten Freund im Obduktionsraum erspähte, den grelles Neonlicht ausleuchtete.
»Warum denn diese Hektik?«, fragte Tannenberg gelassen.
»Weil ich es vor Spannung kaum mehr aushalte«, gab Dr. Schönthaler zurück.
Tannenberg schürzte die Lippen. »Weshalb denn?«
Der Pathologe rieb sich voller Vorfreude die Hände. »Weil wir zwei nun eine kleine Quizshow veranstalten werden.«
»Quizshow?«
»Genau. Und zwar eine, bei der du am Ende aus kriminalistischer Sicht viel schlauer sein wirst als vorher.« Er streckte den Zeigefinger hoch. » Und du kannst zusätzlich zu dieser Bildungsmaßnahme auch noch etwas gewinnen. Ist das nicht ein ausgesprochen attraktives Angebot?«
Tannenberg lupfte kommentarlos die Schultern.
Wie ein kleiner Junge, der dringend zur Toilette muss, trippelte der weiß gewandete Gerichtsmediziner ungeduldig auf der Stelle herum. »Los, komm mit.« Er senkte die Stimme. »Brauchst auch keine Angst zu haben, dass du dich blamierst, mein armes Wölfchen. Wir sind ganz
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