Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall
hat.«
»Das würde zu der lädierten Leber passen, die ihm unser Doc herausgeschnitten hat.«
Benny brummte. »Und es gibt noch etwas anderes: Der Tote war vor einigen Jahren in einen großen Dopingskandal verwickelt. Er wurde wegen schwunghaften Handels mit illegalen Substanzen angeklagt. Doch dann wurde er völlig überraschend freigesprochen, weil ihm plötzlich nichts mehr nachgewiesen werden konnte. Komisch, oder?«
»Na ja, wahrscheinlich hat die Staatsanwaltschaft mal wieder schlampig gearbeitet. Davon kann ich ja ein Lied singen«, sagte er und dachte sofort an seinen Erzfeind Hollerbach, in dessen Zuständigkeitsbereich des Öfteren Straftäter wegen Formfehlern der Anklagebehörde nicht verurteilt werden konnten.
»Nicht so voreilig, mein Freund. Denk lieber mal scharf darüber nach, ob es nicht noch eine andere Erklärung dafür geben könnte, dass man Joop van der Miel damals ungeschoren davonkommen ließ.«
Das musste Tannenberg nicht mehr, denn es hatte bereits ›klick‹ in seinem Kopf gemacht: »Du willst mir doch jetzt nicht etwa eröffnen, dass der ermordete Mechaniker ein verdeckter Ermittler war, den …«
»Den Europol als Undercoveragent bei Turbofood eingeschleust hat«, vollendete der holländische Kriminalbeamte.
»Wahnsinn!«
»Weißt du, wie ich darauf gekommen bin?«
»Nee.«
»Durch dich.«
»Wieso?«
»Du hast mich doch vorhin nochmals angerufen und mir erzählt, van der Miel hätte eine Schwester in Den Haag, mit der er häufig telefonierte und die er auch ab und an besuchte. Bei der sollte ich mich mal nach ihrem Bruder erkundigen.«
»Richtig, darum hatte ich dich gebeten«, bestätigte Tannenberg.
»Nur ging das nicht.«
»Warum?«
»Das ging deshalb nicht«, Benny legte eine kleine Pause ein, um dem Nachfolgenden eine größere Bedeutung zukommen zu lassen, »weil Joop van der Miel überhaupt keine Schwester hat, sondern nur einen Bruder. Und der lebt in Südafrika.«
»Seltsam.«
»Nein, das ist gar nicht seltsam, mein lieber Wolf, denn die Europol-Zentrale hat ihren Sitz in Den Haag.«
»Ach so, dann hat er über diese Schwester-Finte Kontakt zu Europol gehalten.«
»Danach sieht es aus. Zufällig kenne ich einen ehemaligen Kollegen, der dort in der Abteilung ›Organisierte Kriminalität‹ arbeitet. Und der hat mir bestätigt, dass van der Miel als verdeckter Ermittler gearbeitet hat. Allerdings nur unter dem – ihr habt doch da so einen schönen Ausdruck im Deutschen.«
»Unter dem Siegel der strikten Verschwiegenheit?«
»Ja, genau das meine ich. Unter dem hat er es mir anvertraut. Also behalte bitte diese brisante Information unbedingt für dich, sonst gefährdest du die gesamte Operation.«
»Aber die ist doch bereits durch den Mord völlig im Eimer. Der Mann wurde bestimmt deshalb ermordet, weil ihn irgendjemand von Europol verpfiffen hat. Sein Tod ist schließlich Beweis genug dafür, dass diese Verbrecherbande darüber informiert wurde, wen man ihr als Floh ins Fell gesetzt hat.«
»Trotzdem. Versprichst du’s mir?«
»Ja, du kannst dich darauf verlassen. Aber ewig lange kann ich das nicht unter Verschluss halten.«
»Brauchst du auch nicht. Mein alter Kumpel weiß ja inzwischen von mir, dass van der Miel tot ist. Europol wird sich garantiert schon bald an dein BKA wenden. Und bis dahin musst du dichthalten.«
»Das ist nicht mein BKA«, protestierte Tannenberg, der mit den Mitarbeitern dieser Bundesbehörde schon seit Langem auf Kriegsfuß stand.
Florian Scheuermann lag auf seinem Bett und starrte in das Fernsehgerät. Doch die hektischen Bilder und lärmenden Actionszenen schafften es nicht, ihn von seinen düsteren Gedanken abzulenken. Er grübelte über seine Zukunft nach. Eine Zukunft, der er immer sorgenvoller entgegenblickte.
Was soll ich denn nur machen? Wie soll ich das bloß alles auf die Reihe kriegen? Ich steh das nicht durch, marterten ihn Selbstzweifel. Am Samstag beginnt die Tour de France, an der ich teilnehmen darf.
Schniefend klopfte er sich mit der Faust auf den Brustkorb. Ja, ich kleiner, unbekannter deutscher Jungprofi darf beim schwersten Radrennen der Welt starten! Aber kann ich denn überhaupt eine akzeptable Leistung bringen? Bei dem Stress hier, bei der emotionalen Belastung und bei dem Medienrummel, der garantiert noch auf uns zukommen wird. Ich kann mich nicht mehr konzentrieren. Heute Nacht kann ich bestimmt wieder nicht schlafen. Aber ich muss mich doch unbedingt erholen, Abstand gewinnen. Wenigstens für
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