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Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall

Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall

Titel: Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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begleitete er Florian Scheuermann zu Marieke, die gemeinsam mit Dr.   Graupeter die Blutabnahmen durchführte. Mit angstverzerrter, bleicher Miene setzte sich der Jungprofi auf einen Stuhl. Als ihm die sympathische Studentin den Arm abband, fing er an zu zittern.
    Marieke war sich durchaus ihrer Wirkung auf das männliche Geschlecht bewusst. Es war auch nicht ungewöhnlich, dass die sogenannten Herren der Schöpfung ebenso gebannt wie befangen auf ihren Anblick reagierten. Aber dass ein junger Mann wie Espenlaub zu zittern begann, das war ihr bislang noch nicht untergekommen.
    »Was ist denn mit Ihnen? Ist Ihnen übel?«, fragte sie einfühlsam.
    Florian nickte. »Ja. Das geht mir beim Blutabnehmen immer so. Ich kann einfach kein Blut sehen«, jammerte er wie ein Häuflein Elend. »Mir ist eh so schlecht heute. Können wir das nicht ein anderes Mal machen? Morgen oder übermorgen vielleicht?«
    »Nein, unmöglich«, mischte sich Dr.   Graupeter in den Dialog ein. Der energische Tonfall seiner Stimme duldete keinerlei Widerspruch. »Weil Sie sich so ungemein schlecht fühlen, wollten Sie also nicht gerade zum Training, sondern in voller Montur ins Bett hüpfen, oder seh ich das etwa falsch?«, spottete der Dopingkontrolleur in Anbetracht von Florians vollständiger Rennsportkleidung.
    »Ja, aber …«
    »Nix, aber! Wenn Sie nichts zu verbergen haben, brauchen Sie auch keine Angst zu haben«, sagte er mit Blick auf die Gänsehaut, die vor ein paar Sekunden auf Florians haarlosem Arm hervorgesprießt war.
    »Wenn ich da hingucke, dreht sich alles bei mir«, stöhnte Florian mit geschürzten Lippen.
    »Dann schauen Sie doch einfach weg und denken Sie an etwas Schönes«, schlug Marieke Tannenberg vor.
    Florian entfernte seinen Blick von der Kanüle und blickte hinüber zur Zimmertür, auf der sich gerade eine dicke Schmeißfliege niedergelassen hatte. Er atmete sehr flach und schnell.
    »Ruhig durchatmen«, befahl der Privatdozent. »Sonst hyperventilieren Sie uns noch.« Er zog das halb mit Blut gefüllte Röhrchen ab, reichte es Marieke zur Beschriftung und schloss ein neues an. »So, und nun noch ein paar Fragen, okay?«
    In Florians Kopf drehte sich alles. Benommen nickte er.
    »Nehmen Sie Medikamente?«
    »Ähm ja … Oder vielmehr, nein.«
    »Ja, was denn nun, mein junger Freund?«
    »So genau weiß ich das gar nicht«, keuchte er mit belegter Stimme.
    »Ach, das ist aber interessant. Sie wissen also gar nicht, was Sie da so alles schlucken und vielleicht auch gespritzt bekommen?«
    Florians Miene verdüsterte sich.
    Dr.   Graupeter fixierte ihn mit einem stechenden Blick. »Haben Sie denn noch nie etwas vom Fall Birgit Dressel gehört?«
    »Nein«, gab der Jungprofi zögerlich zurück.
    Der Dopingkontrolleur stieß ein recht lautes, merkwürdiges Grunzgeräusch aus. Es war ihm offensichtlich ziemlich peinlich, denn er räusperte sich schnell und schob nach: »Im Jahre 1987 starb die Siebenkämpferin Birgit Dressel qualvoll an einem Multiorganversagen. Dieser körperliche Zusammenbruch war die Folge des von ihr jahrelang eingenommenen beziehungsweise gespritzten Pharmamittel-Cocktails, der aus über 100 verschiedenen Medikamenten und Dopingsubstanzen bestand.«
    Aus Florians Gesicht war nun gänzlich die Farbe gewichen. »Ich, ich …«, stammelte er.
    In diesem Augenblick wurde die Tür aufgerissen und Bruce Legslow erschien in Begleitung des Firmenanwalts. »Wie lange dauert das denn noch?«, polterte Professor Grabler los. »Sie können hier doch nicht den ganzen Betrieb lahmlegen. Die Sportler müssen ihre Trainingseinheiten absolvieren.«
    Dr.   Graupeter machte eine beschwichtigende Geste und entfernte die Kanüle aus Florians Arm. »Schon gut, schon gut. Wir haben von dem jungen Herrn nun alles, was wir haben wollten.« Breit grinsend ergänzte er: »Und wir wissen alles, was wir wissen wollten.«
    Als die drei Männer den Raum verlassen hatten, fragte Marieke: »Warum haben Sie diesen Leuten denn vorgegaukelt, dass Scheuermann alles Mögliche ausgeplaudert hätte.«
    »Tja, meine Liebe, manchmal muss man eben mit Tricks arbeiten, um ein Ziel zu erreichen. Solch eine Aussage streut Misstrauen und bringt garantiert Bewegung in diesen eingeschworenen, abgeschotteten Zirkel. Vielleicht bekommt einer der Fahrer so große Angst, dass er sich als Kronzeuge zur Verfügung stellt. Dieser Florian scheint mir ein möglicher Kandidat dafür zu sein. Wenn man den gehörig unter Druck setzt, erzählt er garantiert

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