Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall
Grabler wissen.
Sein Kontrahent ging auf diese Frage nicht ein. »Ich werde nun jeden Einzelnen von Ihnen nach seinem Alibi befragen. In Ihrem eigenen Interesse kann ich Ihnen nur dringend dazu raten, mir eine klare Auskunft bezüglich Ihres Aufenthaltsortes zu geben.«
»Das können Sie sich getrost sparen«, verkündete der Anwalt des Turbofood-Teams. »Wir waren alle hier im Raum und haben voller Spannung auf diese angeblich so spektakuläre Pressekonferenz gewartet.«
»Kann das jemand bezeugen?«, fragte Tannenberg. Mit einem verkniffenen Grinsen ergänzte er: »Es müsste sich bei diesem Zeugen allerdings um eine neutrale Person handeln.«
»Nur eine?«, höhnte Grabler. »Wir können Ihnen gleich mehrere Personen präsentieren, die unsere Alibis bestätigen werden. Schließlich saßen wir zu diesem Zeitpunkt gemeinsam hier am Tisch und haben zu Abend gegessen. Wie bei Ihnen zu Hause in Ihrer Großfamilie. Befragen Sie einfach das Hotelpersonal. Die Servicekräfte sind permanent um uns herumgeschwirrt. Dieses Waldhotel bietet eben einen Spitzenservice. Komfort, den man in der Provinz leider viel zu selten antrifft.«
Tannenberg ertrug diese scheinheilige Farce nicht länger. Er konnte sich zwar noch keinen Reim darauf machen, wer von den Anwesenden wie in diese beiden Mordfälle verstrickt war, aber dass dies der Fall sein musste, stand für ihn zweifelsfrei fest.
Die Behauptungen des Anwalts mussten nun überprüft und die Ereignisse im Speisesaal mühevoll rekonstruiert werden. Deshalb beorderte er auf dem Weg zu Dr. Schneiders Hotel-Appartement alle verfügbaren Kräfte der Mordkommission zum Antonihof. Bei diesem Telefonat erfuhr er die Adresse des Mordopfers. Spontan entschloss er sich dazu, die in Worms lebende Witwe des Sportmediziners noch in der Nacht aufzusuchen.
Nach Mertels These konnte der möglicherweise im Mikrofon versteckte Sprengsatz von jedem Handy aus gezündet worden sein, dessen Benutzer die entsprechende Telefonnummer kannte. Die bei der Durchsuchungsaktion sichergestellten Handys der Turbofood-Mitglieder kamen dafür nicht in Betracht. Denn diese befanden sich noch immer im Labor der Kriminaltechnik, wo sie überprüft wurden. Allerdings konnte sich der Mörder überall ein anderes Mobiltelefon besorgt und damit die Detonation ausgelöst haben.
Der Geschäftsführer des Hotels öffnete Dr. Schneiders Zimmertür und zog sich danach diskret zurück. Entgegen der Befürchtung des Rechtsmediziners hatte offensichtlich noch niemand dem Hotelzimmer einen Besuch abgestattet. Jedenfalls war dem Anschein nach zu urteilen nichts durchwühlt worden, weder die Koffer, noch die Medikamentenkisten, noch die Patientenkartei.
Dr. Schönthaler sichtete zuerst den vorhandenen Arzneimittelbestand. »Auf den ersten Blick befindet sich nichts Illegales darunter«, sagte er, wobei in seiner Stimme unverhohlene Enttäuschung mitschwang.
»Hast du ernsthaft etwas anderes erwartet?«, erwiderte Tannenberg. »Diese Leute sind ausgesprochen clever. Seit vielen Jahren betreiben sie systematisches Doping und müssen quasi täglich mit unangemeldeten NADA-Kontrollen rechnen. Die verfügen über ein ausgeklügeltes Logistiksystem und haben garantiert jede Menge Tricks auf Lager.«
»Keine Drogen, keine Dopingmittel«, fuhr der Pathologe fort. Abschätzig stieß er Luft durch die Nase. »Jedenfalls keine, die man als solche bezeichnen könnte.« Er hielt mehrere Medikamentenpackungen in die Luft. »Schmerztabletten, Kortison, Aufbaupräparate – alles legal. Davon steht nichts auf dem Index.«
Mit der anderen Hand fischte er ein Asthmamittel aus der Tasche. »Und für diese Asthmasprays bedarf es lediglich einer Sondergenehmigung, die aber ganz leicht zu beschaffen ist. Böse Zungen behaupten sogar, dass alle Radrennfahrer, die ihren Job professionell betreiben, zwangsläufig Asthmatiker sein müssten.«
»Was ich hier allerdings vermisse, ist ein Laptop«, murmelte Tannenberg, nachdem er den Inhalt mehrerer Schubladen und den Kleiderschrank kontrolliert hatte.
»Vielleicht haben den Mertels Leute schon mitgenommen«, gab Dr. Schönthaler zu bedenken.
»Ja, das könnte sein.«
»Aber, du hast schon recht, Wolf. Es ist heutzutage mehr als ungewöhnlich, dass ein Arzt noch eine handschriftliche Patientenkartei führt.«
»Komm, lass mich da mal reinschauen«, forderte der Kriminalbeamte. »Vier Augen sehen ja bekanntlich mehr als zwei.«
»Nützt aber auch nichts, wenn zwei davon blind
Weitere Kostenlose Bücher