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Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall

Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall

Titel: Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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sind.« Grinsend überreichte Dr.   Schönthaler seinem Kumpan den Karteikasten.
    Während er die beschrifteten Karteikärtchen durch die Finger gleiten ließ, brummte Tannenberg verdutzt. »Was hier allerdings fehlt, ist die Patientenkarte von Joop van der Miel.« Er blätterte weiter und ergänzte. »Und die von diesem Jungspund, diesem Florian Scheuermann, fehlt auch.«
    »Hoffentlich bedeutet das nicht, dass dieser arme Kerl das nächste Opfer sein wird«, orakelte der Pathologe mit sorgenvoller Miene.
     
    Das Anwesen der Familie Schneider lag in einer der besten Wormser Wohngegenden. Das moderne Einfamilienhaus umgab ein sehr gepflegtes Grundstück, dessen alter Baumbestand einen effektvollen Gegensatz zu der schmucklosen, klotzigen Architektur des Flachdach-Bungalows bildete. Das weitläufige Gelände bewachte ein imposanter Leonbergerrüde, der Tannenberg spontan an Kurt erinnerte. Der Familienhund des Tannenberg-Clans war zwar nicht reinrassig, sondern ›nur‹ eine Mischung aus Langhaarschäferhund und Leonberger, dafür war er aber der schönste Hund der Welt – jedenfalls nach Meinung der gesamten Großfamilie.
    Ähnlich wie Kurt zeigte sich auch dieser Leonberger weitgehend unbeeindruckt von befehlsartig ausgestoßenen menschlichen Kommandos. Die »Cäsar – hier!«-Rufe prallten ebenso an ihm ab wie energische Pfiffe durch eine Hundepfeife.
    »Entschuldigung, Cäsar hört leider nur auf sein Herrchen«, sagte eine etwa 45-jährige, apart gekleidete Frau. »Und das auch nicht immer«, ergänzte sie mit einem verschmitzten Lächeln. »Einen Augenblick bitte.«
    Sie packte den Hund am Stachelhalsband und zog ihn in seinen Zwinger. Danach kehrte sie an das mannshohe, schmiedeeiserne Tor zurück, vor dem die beiden Kriminalbeamten geduldig warteten.
    »So, jetzt ist die alte Nervensäge endlich hinter Schloss und Riegel«, sagte die schlanke Frau, die einen schwarzen Hosenanzug trug. Ihre schulterlangen Haare waren dunkelbraun gefärbt und akkurat geschnitten. Ein wenig außer Atem, legte sie sich eine Haarsträhne hinters Ohr. »Was führt Sie zu mir?«
    Tannenberg zückte seinen Dienstausweis und stellte sich und seine Mitarbeiterin vor. Dann erfragte er den Namen der Hundebesitzerin und bat um Einlass.
    »Was ist denn passiert?«, wollte Frau Schneider sogleich wissen. »Ist etwas mit Heiko?«
    »Könnten wir bitte ins Haus gehen?«, bat der Leiter des K 1.
    Wie in Trance schlurfte die groß gewachsene Mittvierzigerin über einen mit schwarzen Granitplatten belegten Weg. Die Haustür stand sperrangelweit offen und aus dem Inneren des Hauses drang Klaviermusik an die Ohren der nächtlichen Besucher.
    »Bitte, nehmen Sie Platz«, sagte Frau Schneider und wies hin zu einer ausladenden weißen Ledercouch, die sich harmonisch in den mit bunten Gemälden und Designermöbeln ausgestatteten Salon einfügte.
    Die Ehefrau des Turbofood-Teamarztes ging zu einem Sideboard, zog eine Zigarette aus einer Schachtel und steckte sie mit fahriger Hand in den Mund. Dann entzündete sie den Glimmstängel und nahm einen tiefen Zug.
    In den ausströmenden Rauch hinein sagte sie mit unsicherer Stimme. »Es muss etwas Schlimmes mit Heiko passiert sein. Er ruft mich sonst jeden Abend um 19 Uhr an.« Sie blickte zu den Besuchern auf. »Heute hat er das nicht getan.«
    Tannenberg schöpfte noch einmal tief Atem, dann überbrachte er der Frau des Sportmediziners die traurige Nachricht. Eva Schneider reagierte mit einem lauten Aufschrei, und sank schluchzend auf der Couch in sich zusammen. Während sich Sabrina liebevoll um sie kümmerte, hörte man durch die offen stehende Haustür das hochtönende Jaulen des Leonbergers, so als ob er die schreckliche Nachricht vom Tod seines Herrchens verstanden hätte.
    Hunde haben einfach für solche Dinge einen siebten Sinn, dachte der Kriminalbeamte. Er stand auf dem Podest der Eingangstreppe und ließ den Kopf baumeln. Scheiß Job!, fluchte er im Stillen. Todesbote zu sein, ist das Schlimmste, was es gibt. Mit in Gedanken versunkenem Blick schaute er hinüber zu einer alten Buche, auf deren Stamm gerade ein Eichhörnchen hinauf in die Krone jagte. Obwohl, sinnierte er, noch schlimmer ist es allerdings, wenn man Eltern mit dem Tod ihres Kindes konfrontieren muss. Er seufzte tief und schaute sich um. In diesem Haus scheint es wohl keine Kinder zu geben: keine Spielsachen, keine Fahrräder, keine kleinen Schuhe. Er zog die Haustür ins Schloss und trottete zurück in den Salon.
    Eva Schneider

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