Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall
›negativ‹?«, fragte ihr Onkel mit verdutzter Miene.
»Sowohl in den Blut- als auch in den Urinproben haben wir keine einzige illegale Substanz gefunden, keinen Hinweis auf Epo, absolut nichts. Und die Messwerte der legalen Medikamente, also Kortisonpräparate, Aspirin, Diclofenac und so weiter, liegen alle unterhalb der erlaubten Grenzwerte.«
Wolfram Tannenbergs hünenhafter Körper sank regelrecht in sich zusammen. Er stemmte die Ellenbogen auf den Tisch und legte seinen bleischweren Kopf auf den Handflächen ab.
»Aber das gibt’s doch gar nicht«, keuchte er. Ein flehender Blick wanderte an Mariekes Motorradjacke empor. »Zweifel ausgeschlossen?«
»Ja«, entgegnete seine Nichte.
»Vielleicht sind ja eure Geräte defekt.«
Marieke wiegte entschieden den Kopf hin und her. »Nein, das ist völlig ausgeschlossen. Jede einzelne Dopingprobe wird routinemäßig mit zwei verschiedenen Analysemaschinen untersucht.«
»Mich wundert das eigentlich überhaupt nicht«, bemerkte der Kriminaltechniker trocken. Mit diesem Ausspruch rief er bei seinen Kollegen staunende Mienen hervor. »Habt ihr denn ernsthaft etwas anderes erwartet?«, fragte er mit unüberhörbarem Hohn in der Stimme. »Wir haben es hier nicht mit irgendwelchen kleinen Hinterhofdealern zu tun, sondern mit ausgekochten Profis. Die gehen für ihre Interessen über Leichen.
Der illegale Dopingmittelhandel ist ein hochprofitables Geschäft, an dem die Mafia sehr viel Geld verdient. Ich habe heute Nacht mal ein bisschen im Internet recherchiert und bin dabei auf sehr interessante Dinge gestoßen. Zum Beispiel auf den Artikel eines – übrigens spurlos verschwundenen – amerikanischen Journalisten, der behauptet, dass die Mafia bereits mehrere amerikanische Biotech-Unternehmen kontrollieren würde. Diese Firmen seien zum einen ideale Geldwaschanlagen und zum anderen beschäftigen sie sich mit der lukrativen Zukunftstechnologie Genforschung, einem Milliardenmarkt!«
Karl Mertel ließ einen Augenblick verstreichen, bevor er fortfuhr. »Deshalb vermute ich mal tollkühn, dass die von Turbofood verwendeten Dopingmittel mit den NADA-Tests nicht nachweisbar sind.«
»Das wäre natürlich eine einleuchtende Erklärung dafür, weshalb die Dopingkontrollen negativ ausgefallen sind«, kommentierte Tannenberg. »Was meinst du dazu, Marieke?«
»Da bin ich leider überfragt. Ich bin ja nur eine studentische Hilfskraft.«
»Ja, sicher. Ich denke, ich rufe nachher mal deinen Chef an und frage ihn ganz offiziell nach den Analyseergebnissen.« Als er Mariekes ängstliches Gesicht sah, fügte er schnell hinzu: »Natürlich weiß ich noch nichts darüber.«
»Nach meinen bisherigen Informationen sind zum Beispiel künstliche und tierische Blutdopingmittel mit den herkömmlichen Verfahren nicht zu identifizieren«, berichtete Mertel weiter. »Und Gen-Doping sowieso nicht.«
Der Leiter des K 1 seufzte. »Ja, gut. Aber diese Spekulationen bringen uns nicht entscheidend weiter, Leute.« Er schenkte Mineralwasser in zwei Gläser ein und reichte eines davon seiner Nichte. Marieke bedankte sich nickend. »Wir brauchen Fakten, hieb- und stichfeste Beweise für diese Doping-Sauereien. Die muss es doch irgendwo geben.«
»Vielleicht haben die Mörder das brisante Material bereits längst gefunden und beseitigt«, gab Sabrina zu bedenken.
»Oder dieser Fernsehsender hält es unter Verschluss«, meinte ihr Mann, »und geht damit nur Stück für Stück an die Öffentlichkeit.«
»Dann brauchen wir eben eine richterliche Durchsuchungsanordnung.«
»Für einen großen Fernsehsender, Michael?«, fragte Mertel. Er winkte ab. »Das kannst du getrost vergessen. Welcher Richter legt sich denn auf einen vagen Verdacht hin mit den Medien an?«
Seufzend fingerte Tannenberg an seinem Wasserglas herum. Dann machte er eine ratlose Geste. »Karl, ihr habt doch Dr. Schneiders Hotelzimmer und die Werkstatt des ermordeten Mechanikers auf den Kopf gestellt. War da …«
»Und außerdem alle anderen Zimmer und die Fahrzeuge des Teams«, fiel ihm der Kriminaltechniker ins Wort. »Selbst den Hoteltresor haben wir nach Dokumenten durchsucht. Nichts, absolut nichts.«
»Und die Analyse der Patientenkartei?«
»Damit sind wir natürlich noch nicht ganz durch. Aber bisher gibt es noch keinerlei Hinweise auf irgendwelche illegalen Doping-Praktiken. Auf den Karteikarten sind zwar alle möglichen Medikamente und deren Dosierungen aufgelistet, aber etwas Illegales befindet sich nicht
Weitere Kostenlose Bücher