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Leise Kommt Der Tod

Titel: Leise Kommt Der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stewart Taylor
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jetzt, nach so langer Zeit, zurückkamen. In den letzten Wochen hatte er jedes Mal, wenn er das Museum durchstreift hatte, an jene Ereignisse zurückdenken müssen. An die Stimmen der Diebe, die Jacke mit dem Riss am Ellbogen, die einer von ihnen getragen hatte. Wie dreist von diesem Kerl, sich als normaler Museumsbesucher auszugeben - mit so einem großen Loch in seiner Jacke? Damals war es Denny nicht aufgefallen. Aber jetzt schien es in sein Gehirn geradezu eingebrannt zu sein.
    Als er mit den Sicherheitsvorkehrungen fertig war, schrieb er seinen Namen in das Datenbuch und übergab es David, dem Nachtwächter. Er selbst war vom Nachtdienst freigestellt, was er sehr bedauerte. Es hatte etwas für sich, ganz alleine im Museum zu sein. Es verlieh einem ein eigentümliches Gefühl, etwa in der Art, als würde das Gebäude einem selbst gehören. Früher war er nachts immer gemächlich durch die Räume gewandert und hatte sich vorgestellt, er sei ein reicher Gutsbesitzer, der seine zahlreichen Gemälde betrachtete. Sein Vater hatte ihm erzählt, dass die Keefes einst eine Königsfamilie aus Irland gewesen waren. Als Kind hatte Denny davon geträumt, zurückzukehren und sein Schloss einzufordern, um die Keefes wieder auf den Thron zu erheben. Er erinnerte sich noch daran, dass er bitter enttäuscht gewesen war, als ihn ein anderes Kind darüber aufgeklärt hatte, dass Irland mittlerweile nicht mehr von einem König regiert wurde.
    »Geht’s dir gut?«, fragte David, während er seinen eigenen Namen in das Buch eintrug und es dann unter die Tischplatte schob.
    »Ja, tut mir leid. Ich musste nur gerade an etwas denken.«
    »Schon okay. Gute Nacht.«
    »Ja, danke, gleichfalls. Pass heute besonders gut auf. Vorhin
war ein seltsamer Mann hier mit einem langen Mantel. Er hat sich zwar nicht auffällig verhalten, aber ich fand es irgendwie komisch, wo es doch heute so heiß war draußen.«
    David nickte und warf Denny einen Blick zu, als hielte er ihn für verrückt. Diese neuen Jungs vertrauten auf die Technik, die Alarmsysteme und die Summer, die Bewegungsmelder und all den Kram. Manchmal schienen sie zu vergessen, dass sie Wachleute waren und keine verdammten Sekretäre. Aber warum sollte er sich aufregen, ändern konnte er daran ja doch nichts.
    Es war immer noch sehr heiß, als er nach draußen trat. Für einen Moment blieb er stehen und atmete die dicke, abgestandene Luft ein. Ein hübsches Mädchen in einem Tanktop lief an ihm vorbei, und Denny beobachtete, wie ihre Brüste unter dem rosafarbenen Stoff hin- und herwogten, ohne dabei irgendetwas zu empfinden. Er war innerlich wie betäubt, verspürte keine Gefühle, weder für das Museum noch für seine Kinder oder für irgendetwas anderes. Jeden Morgen stand er auf und tat bis zum Abend, was von ihm erwartet wurde. Dann ging er nach Hause, nahm einen Drink und schlief in seinem Sessel ein, während im Hintergrund irgendeine Sportsendung im Radio lief. Anscheinend war er zu einem gefühllosen Menschen geworden. Und das nicht erst, seit April ihn verlassen hatte. Genau genommen war es an jenem Tag passiert, als das Museum ausgeraubt worden war. Damals, als er sich auf dem kalten Steinboden gefragt hatte, ob sein letztes Stündlein geschlagen habe, hatte er befürchtet, einen Teil seiner Seele zu verlieren. Später hatte sich dann herausgestellt, dass er sie ganz verloren hatte.

11
    Mehr als zwanzig Jahre nach dem Autounfall, der ihrem Mann das Leben und ihr selbst die Mobilität genommen hatte, besaß Cecilia Moran immer noch dasselbe Haus im Kolonialstil, in dem Tad aufgewachsen war. Als er vor dem Haus parkte, war er für einen Moment von Stolz erfüllt. Sie hatten es geschafft, das Haus über all die Jahre zu halten. Es war nicht leicht gewesen. Das Gebäude stand in einem Teil von Newton, in dem der Wert der Immobilien laufend stieg, und damit auch die Steuern. Sie hätten es schon bei vielen Gelegenheiten teuer verkaufen können, aber Cecilia liebte ihr Zuhause, und Tad war sich durchaus bewusst, dass sie ohne ihre vertraute Umgebung, ihre Kunstwerke, ihre Möbel und ihren Trödel todunglücklich wäre. Außerdem liebte sie es, aus dem Fenster in ihren kleinen Garten zu blicken, um den sich Tad beinahe jedes Wochenende kümmerte.
    Immer ging es um Entscheidungen, sagte er zu sich selbst. Er hatte viele Entscheidungen zugunsten des Hauses getroffen, und in Momenten wie diesem spürte er, dass es die Mühe wert gewesen war. Dann wieder fragte er sich, wie sich seine

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