Leise Kommt Der Tod
Eröffnung gewesen waren.«
»Haben Sie den Haupteingang während Ihres gesamten Telefonates beobachtet?«
»Nicht direkt. Nein. Ich habe schließlich ein Gespräch geführt, deshalb habe ich meine Aufmerksamkeit...« Die letzten Wörter kamen stockend, als ob er sich jede Silbe einzeln überlegen müsse.
»Und mit wem haben Sie telefoniert?«
Kauffman war kurz davor, empört aus seinem Stuhl hochzufahren.
»Nur mit einem Freund. Wozu müssen Sie das wissen?«
Einem plötzlichen Impuls folgend, entgegnete Quinn: »Nun, wir müssen natürlich mit besagtem Freund sprechen, um feststellen zu können, wo Sie beide wann waren.«
Eine langgezogene Stille folgte. Schließlich sagte Kauffman: »Hören Sie, ich habe meiner Frau und den anderen Anwesenden gesagt, dass ich rausgehen würde, um ein Telefonat zu führen. Aber die Wahrheit ist, ich wollte einfach nur frische Luft schnappen. Ich habe mit niemandem gesprochen. Das klingt jetzt seltsam, aber meine Frau stand neben mir, als mich der Polizist befragt hat, und sie dachte, ich hätte telefoniert.«
»Warum wollten Sie den anderen nicht sagen, dass Sie nur an die Luft wollten?« Quinn versuchte, einfach nur neugierig zu klingen, war in Wahrheit aber sehr misstrauisch. Er hatte schon lange niemanden mehr gesehen, der so nervös gewesen war wie Kauffman.
»Es war dumm von mir. Ich wollte einfach … meine Frau wäre mit Sicherheit mitgekommen, aber ich wollte für einen Moment nur allein sein. Ich kann es nicht besser erklären. Es war so ermüdend, mit all diesen Menschen zu reden und den Gastgeber zu spielen, ich musste einfach kurz raus. Ich bin dann einmal um den Block gegangen und war nach einer Viertelstunde wieder zurück. Als ich durch den Haupteingang kam, wurde mir sofort klar, dass etwas passiert sein musste. Ich sah Sweeney, wie sie dastand und Denny anschrie, während er telefonierte. Sie sagte irgendetwas über Olga und war total aufgeregt. Die anderen haben mir schließlich erzählt, was passiert ist.«
Quinn stellte ihm noch ein paar Fragen, dann entließ er ihn. Kauffman wirkte erleichtert, versuchte aber, es sich nicht anmerken zu lassen. Dieses Phänomen ließ sich allerdings bei den meisten Menschen beobachten, die gerade eine polizeiliche Befragung hinter sich gebracht hatten.
Als Nächstes war die überaus aufgebracht wirkende Frau an der Reihe, die Quinn gleich bei seinem Eintreffen darauf hingewiesen hatte, er und seine Leute sollten es unterlassen, die Kunstwerke zu berühren. Mit ihrem überheblichen Tonfall und dem abschätzenden Blick, der ihr »Sie wissen womöglich nicht, wie empfindlich diese Stücke sind« begleitete, hatte sie ihn verärgert. Aber er musste zugeben, dass sie vermutlich zu jenen Personen gehörte, die ihm eine minutiöse Beschreibung sämtlicher Ereignisse des Abends liefern würden.
»Miss Tyler, ist Ihnen etwas aufgefallen, das für die Ermittlungen von Nutzen ist?«
»Oh, ich denke nein. Sie suchen bestimmt nicht nach jemandem, der aufgefallen ist.«
»Wie bitte?«
»Sie suchen nicht nach einem Mann oder einer Frau, der oder die dumm genug ist, etwas zu tun, das die Aufmerksamkeit der anderen Leute erregt. Ein Mann vermutlich. Das organisierte Verbrechen ist doch eine Männerdomäne, nicht wahr?« Sie lächelte, als sie seinen Gesichtsausdruck bemerkte. »Das war bestimmt niemand, der zufällig hereingelaufen kam, Detective. Es handelt sich wohl eher um die Leute, die das Museum schon einmal ausgeraubt haben, meinen Sie nicht auch?«
Quinn entschied, dass sie vielleicht richtiglag. Er stellte ihr ein paar weitere Fragen und entließ sie dann. Der Reihe nach befragten sie sämtliche Gäste sowie ein paar Studenten, die sich während des Leichenfundes oben aufgehalten hatten. Niemandem war etwas Ungewöhnliches aufgefallen, aber schließlich befanden sich auch alle in den oberen Etagen.
Quinn rieb sich die Augen. Es war schon zehn, und in der vergangenen Nacht hatte er einige Male wegen Megan aufstehen müssen. Megan. Er spürte plötzlich ein nagendes Schuldgefühl. Er hatte Patience gebeten, auf seine Tochter aufzupassen. Er hatte schon vermutet, dass er lange arbeiten würde, deshalb
sollte sie auf dem Sofa schlafen. Sie hatte zugestimmt - seine langen Arbeitszeiten schienen sie nicht zu stören -, aber trotzdem machte er sich Gedanken, wie Megan wohl darauf reagieren würde, dass nicht er es war, der sie ins Bett brachte. Manchmal geschah es, dass seine Tochter Patience voller Liebe und Vertrauen ansah,
Weitere Kostenlose Bücher