Leise Kommt Der Tod
gefragt, ob man sie nach Hause bringen solle, und wartete jetzt bei ihr, bis Ian Ball eintraf, um sie abzuholen.
»Ich habe mit der Familie gesprochen«, sagte Ellie plötzlich, was ihn verwirrte. »Sie haben mir erlaubt, mich in ihrem Zimmer umzusehen. Ich habe ein Arbeitsbuch gefunden.«
»Was?«
»Luz Ramirez. Ein Textbuch. Chemie für das College.«
»Oh.« Einen Moment lang hatte er gedacht, sie habe über Willem Keanes Familie gesprochen. Dieser hatte nämlich gar keine, das wusste er von Tad Moran. Es gab wohl einen Bruder in L.A., aber offensichtlich hatte er schon seit Jahren keinen Kontakt mehr zu ihm gehabt.
Der Ausdruck in Tad Morans Gesicht hatte bei Quinn den Eindruck erweckt, dass er Keanes Vertrauensperson gewesen war, vielleicht sogar so etwas wie Familienersatz. Als Moran ihm erzählte, dass er mehr als zwanzig Jahre für Keane gearbeitet hatte, nahm sein Gesicht jenen Ausdruck an, der Quinn durch seine jahrelange Arbeit als Überbringer schlechter Nachrichten so vertraut war: reiner, ungläubiger Schmerz, der einen dazu brachte, zu Boden zu sinken und die Kontrolle über seine Körperfunktionen zu verlieren, und der letztlich gnädigerweise dafür sorgte, dass man die ersten schrecklichen Minuten der Erkenntnis auf ewig aus seiner Erinnerung verbannte.
Ellie fuhr fort zu sprechen, und in der für sie typischen Art bezog sie sich auf ihren vorhergehenden Satz. »Was seltsam ist, da sie gar nicht aufs College ging. Sie arbeitete in diesem Frisörsalon und hing ansonsten mit ihren Freunden herum. Die Familie hat mir definitiv versichert, dass sie auf keinem College war. Bis jetzt habe ich noch nicht herausgefunden, warum sie dieses Buch in ihrem Besitz hatte. Ich habe mit den Mädchen in dem Salon gesprochen, und die meisten hatten nichts Wesentliches beizutragen. Aber eine der Haarstylistinnen, die auch aus El Salvador stammt, erzählte mir, dass Luz verliebt gewesen sei. Der Junge heißt Jason und soll ein »Collegeboy« sein. Sie hat ihn im Laden kennen gelernt, er war zum Haareschneiden dort.«
Quinn hörte einfach nur zu, da er das Gefühl hatte, dass sie keine Meinung dazu hören wollte.
»Erinnerst du dich noch an ihre Kleidung? Wir dachten ja beide, so etwas trägt man zu einem Vorstellungsgespräch. Nun, ich könnte mir vorstellen, dass Luz es zu einem Date getragen hat, weil sie dachte, für einen Jungen, der sich so sehr von den Typen in ihrer Nachbarschaft unterschied, sei es das Richtige. Für einen Jungen, den sie wirklich mochte.«
Quinn war beeindruckt. »Okay«, sagte er. »Also wie gehen wir als Nächstes vor?«
»Ich habe mir gedacht, ich könnte alle Colleges in der Stadt durchtelefonieren und jemanden aus dem Chemiebereich verlangen, um herauszufinden, ob es dort einen Schüler namens Jason gibt. Was hältst du davon?«
»Ich halte das für eine ziemlich gute Idee«, entgegnete er. »Ich glaube, du bist auf der richtigen Spur.«
Sie sah der Trage, die gerade in den Aufzug geschoben wurde, nach, bis sich die Türen schlossen. Beide schwiegen für einen Moment. »Wenn du nicht mehr mit mir arbeiten willst«, sagte sie schließlich, »dann sag Havrilek bitte, dass wir nicht miteinander klarkommen. Ich bin mir sicher, dass er mich versetzen wird.«
»Willst du denn nicht mehr mit mir zusammenarbeiten?«
Sie strich sich eine leicht fettige Haarsträhne aus den Augen und klemmte sie hinter ein Ohr. Dabei sah sie zu Boden, als habe sie Angst vor ihm. »Nein, aber es scheint mir...«
»Als ob ich ein Problem mit dir habe?«
Sie nickte.
Er dachte für eine Minute darüber nach, wie er es vermeiden könnte, ihr die Wahrheit zu sagen. »Das stimmt nicht. Das hat alles nur mit mir zu tun, also mach dir bitte keine Gedanken. Nein, ich arbeite gerne mit dir, und es tut mir leid, dass ich so kurz angebunden war. Mir geht momentan sehr viel im Kopf herum.« Er entschied sich für eine simple, unkomplizierte Erklärung. »Du hast sicher von der Sache mit meiner Frau gehört.« Ihr kurzer, prüfender Blick verriet ihm, dass dem so war.
»Es tut mir leid«, flüsterte sie.
»Danke.« Er ließ seinen Blick durch die Galerie schweifen. »Ich brauche hierbei ab jetzt deine Hilfe«, fuhr er fort. »Die ganze Sache wird immer verzwickter. Heute war das Museum nicht für die Öffentlichkeit zugänglich. Wenn Keane seinen Mörder nicht selbst hereingelassen hat oder jemand auf verdammt schlaue Weise eingebrochen ist, dann war es jemand, der Zugang zum Gebäude hat.«
»Seinen
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