Leise Kommt Der Tod
Erklärung vor. Schließlich öffnete sich die Tür, und der Junge trat ein. »Jetzt haben sie ihn doch reingelassen«, sagte Ellie.
In der nächsten Stunde passierte nichts. »Okay«, meinte Quinn und überprüfte die Zeit. »Jetzt ist es halb sechs auf dem Band. Wir haben ihn um sechs gefunden, und noch niemand hat das Gebäude verlassen. Wann sind sie gegangen?«
Seine Frage wurde beantwortet, als sie Hutchinson um drei viertel sechs aus der Vordertür treten sahen, ein paar Minuten später gefolgt von dem Jungen. Dann verließ oder betrat keiner mehr das Gebäude bis um zehn nach sechs, als eine Gruppe uniformierter Polizisten ankam, die von Quinn verständigt worden waren. Nach ein paar weiteren Minuten rannte Ellie die Stufen hoch und wurde von dem uniformierten Beamten an der Tür eingelassen.
Quinn stoppte das Band. »Ellie, sag Johnny, dass er Cyrus Hutchinson ausfindig machen soll. Ich möchte sofort mit ihm sprechen. Und auch mit allen vom Museum, die wir auftreiben können. Ich will wissen, wer dieser Junge ist. Er soll sich darum kümmern, und wir machen mit den Bändern weiter.«
Sie verdrückte sich für eine Minute und kam gerade zurück, als er das erste Video aus dem Inneren des Museums einlegte. »Er kümmert sich darum«, erklärte sie.
Auf den Bändern aus den Galerien befand sich nicht viel Interessantes. Sie sahen, wie Jeanne Ortiz die Galerie im dritten Stock betrat, wo ihre Ausstellung stattfinden sollte. Sie verbrachte ein paar Minuten damit, Wände zu vermessen, ehe sie den Raum wieder verließ.
»Das wird uns nicht weiterhelfen«, vermutete Quinn. »Alle waren drüben in ihren Büros. Aber wir sollten alles durchsehen, um ganz sicherzugehen.« Die Kameras schwenkten in Abständen von sechzig Sekunden durch die Räume, wobei zwischen den verschiedenen Galerien hin- und hergeschaltet wurde.
Ellie betätigte den Vorlauf und stoppte das Band, als zwei Personen die Galerie im zweiten Stock betraten.
Quinn setzte sich aufrecht hin. »Oh«, sagte er, »das sind Sweeney und ich. Wir... ich meine, sie hat mir ihre Ausstellung gezeigt. Das war vor...« Er verstummte und beobachtete die beiden Gestalten, wie sie in der Galerie standen und sich unterhielten. Er sah, wie er sich ihr zuwandte, den Kopf in ihre Richtung geneigt. Sie standen sehr viel näher zusammen, als er erwartet hatte.
Es war seltsam, eine Aufzeichnung von sich selbst anzusehen. Er bemerkte, dass er sich leicht nach vorne lehnte. Machte er das immer so? Er war sich nicht sicher. Neben Sweeney wirkte er nicht so groß, wie er sich normalerweise fühlte, aber vielleicht war sie auch einfach nur größer als die meisten anderen Frauen. Die Kamera schien ihnen zu folgen, als sie durch den Raum schwenkte, und er sah, wie sie beide zusammenstanden und er sich in ihre Richtung lehnte, sodass sich ihre Schultern fast berührten. Ihre Körper wirkten auf ihn wie Buchstaben, zwei umgedrehte Vs, die gemeinsam ein M formten. Er wollte sich vorbeugen und das Band stoppen, aber das ging
wohl schlecht. Also beobachteten Ellie und er die Szene für quälende dreißig Sekunden, ehe die Kamera wegschwenkte und eine der anderen Galerien ins Bild kam. Still sahen sie auf die leeren Räume. Quinn war sicher, dass sie seinen lauten Herzschlag hören konnte.
Als das Band endlich zu Ende war, beugte sich Quinn vor und nahm das Video raus.
Er hatte das Gefühl, etwas sagen zu müssen, aber er wusste nicht, was, deshalb schaltete er nur stumm den Fernseher aus.
»Ich schau mal, wie weit Johnny ist«, sagte Ellie und ließ ihn allein.
28
»Dieser Freund von mir aus London, erinnerst du dich? Er meinte, dass er etwas Interessantes für deinen Polizisten hätte«, sagte Ian, während er seinen Toast mit der exklusiven Marmelade bestrich, die er extra in einem Feinkostladen auf dem Beacon Hill gekauft hatte. »Er hat ein Gerücht über den Kanopenkrug gehört.«
Sweeney widmete sich gerade ihrem Frühstück, in Streifen geschnittener Toast, den sie genüsslich in ein weichgekochtes Ei tunkte. Da registrierte sie die Worte »dein Polizist« und sah auf. »Was hat er gesagt? Willst du mit Quinn sprechen?«
Es war zu ihrem kleinen Sonntagmorgenritual geworden, die Zeitungen zusammen mit ihrem Lieblingsfrühstück auf dem Wohnzimmertisch auszubreiten. Ian hörte dazu gerne seine »Sonntagmorgenmusik«: Bach in voller Lautstärke, sodass Sweeneys Apartment ein bisschen an eine Kirche erinnerte. Auch diesen Sonntag waren sie ihrer Gewohnheit gefolgt,
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