Leises Gift
gewesen und hatte eine Zusatzausbildung absolviert, doch ihr Ruf im FBI war auf dem Gipfel. Ein Jet des FBI brachte sie zum Lakefront Airport, der gleich neben dem FBI-Büro in New Orleans lag. Von dort aus wurde sie in aller Eile im persönlichen Dienstwagen von SCA Webb Tyler, dem Leitenden Spezialagenten, zum French Quarter gefahren. Die Verhandlungen mit den Geiselnehmern dauerten nur sieben Stunden, doch das psychologische Duell mit den beiden soziopathischen Detectives gehörte mit zum Aufreibendsten, was Alex während ihrer gesamten Laufbahn erlebt hatte. Zweimal hatte sie geglaubt, dass Kaiser jeden Augenblick exekutiert werden könnte, und einmal hatte sie ihn sogar bereits für tot gehalten. Später hatte sie erfahren, dass einer der Detectives seine Waffe Kaiser in schrägem Winkel an den Kopf gehalten und abgefeuert hatte, was zu permanentem rechtsseitigem Hörverlust führte, ihm aber das Leben rettete. Kaiser hatte die gesamte Verhandlung mitgehört und war überzeugt, dass er sein Leben einzig und allein Alex verdankte. Die beiden Detectives verbüßten noch immer ihre Gefängnisstrafen – resultierend aus dem Handel, der die Geiselnahme schließlich beendet hatte.
Als Alex über Kaiser nachdachte, wurde ihr bewusst, dass zwischenzeitlich eine Bildübertragung auf ihr Mobiltelefon eingeleitet worden war. Nachdem die Übertragung zu Ende war, studierte sie den winzigen Schirm mit absoluter Konzentration. Die Auflösung war gering, doch das Foto zeigte eine nackte blonde Frau, die sich mit den Ellbogen auf ein Balkongeländer stützte, während ein nackter Mann sie von hinten vögelte. Die Frau war eindeutig Thora Shepard. Der Balkon glänzte in stumpfem Silber, als bestünde er aus Edelstahl, und der architektonische Eindruck, den der gesamte Hintergrund vermittelte, war der des Alluvian Hotels. Wenn ein einfaches Foto bereits so viel Aussagekraft besaß – was würde erst das Video bei Thoras Ehemann bewirken?
Alex atmete mehrmals tief durch; dann wählte sie die Mobilnummer von John Kaiser.
»Hallo?«, meldete er sich.
»Ich bin es, John. Alex Morse.«
Zuerst antwortete er nicht. Dann sagte er: »Ich habe gehört, was heute Morgen passiert ist. Es tut mir leid, Alex.«
»Kein guter Tag für mich, Amigo.«
»Irgendjemand hat richtig Mist gebaut, wenn es zu so etwas kommt.«
»Ich fürchte, Sie sind der Einzige, der so denkt.«
»Das wage ich zu bezweifeln. Was haben Sie vor? Werden Sie weiter an diesem Fall arbeiten, oder hören Sie auf?« Sie zögerte. »Bleibt dieses Gespräch unter uns, oder werden Sie mich melden?«
»Sie müssten mich eigentlich besser kennen.«
»Ich kann nicht aufhören, John. Ich weiß, dass ich recht habe, und der Arzt, der das nächste Opfer werden soll, glaubt es inzwischen ebenfalls. Er war zuerst skeptisch, hielt mich für verrückt, aber jetzt weiß er, dass ich mich nicht geirrt habe. Dieser Fall ist unglaublich, John. Sie würden es nicht für möglich halten. Es ist ein Team, das die Morde begeht – ein Anwalt und ein medizinischer Profi –, und sie bringen die Leute um, indem sie sie mit Krebs infizieren.«
»Mit Krebs …?«, fragte Kaiser leise. »Alex, sind Sie sicher?«
Sie schloss die Augen. »Absolut sicher.«
»Was ist das Motiv?«
»Ich denke, es sind unterschiedliche Motive bei den Tätern. Es handelt sich um einen Scheidungsanwalt, der reichen Klienten Millionen Dollar spart, indem er ihre Ehegatten tötet.«
Kaiser schwieg sekundenlang. »Was genau kann ich für Sie tun?«
»Überhaupt nichts, John. Sie dürfen gar nichts für mich tun.«
Ein trockenes Lachen kam durch den Lautsprecher. »Nehmen wir für den Augenblick an, ich wüsste das nicht. Was möchten Sie, das ich für Sie tue?«
»Sind Sie in New Orleans?«
» S Í “
»Setzen Sie sich in den Wagen und fahren Sie nach Jackson, Mississippi. Ich bin auf dem Weg dorthin, mit dem Flugzeug. Und bevor Sie fragen: Nein, das Bureau weiß nichts davon.«
»Was werden wir tun, wenn wir uns treffen?«
»Ich möchte, dass Sie diesen Arzt kennen lernen. Hören Sie sich an, was er zu sagen hat, danach hören Sie sich an, was ich Ihnen sage. Ich brauche Ihren Verstand, John. Ihre Erfahrung mit Mördern. Es sind drei Stunden mit dem Wagen. Bitte sagen Sie mir, dass Sie kommen.«
Nach langem Schweigen fragte Kaiser: »Wo sollen wir uns treffen?« Alex schlug das Cabot Lodge in der Nähe der Universitätsklinik vor. Kaiser erwiderte, er könne nichts versprechen, würde jedoch versuchen,
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