Leises Gift
Puls begann zu rasen. »Gütiger Himmel, wir haben ihn!«
»Nein, haben wir nicht. Wir wissen lediglich, wo er vor fünfzehn Minuten gewesen ist.«
»Der Deputy hat nicht versucht ihn zu stoppen, oder?«
»Nein. Forrest County liegt auf dem Weg zur Golfküste, nicht wahr?«
»Kann sein. Es ist in der Nähe von Hattiesburg. Das ist eine indirekte Route zur Küste. Haben Sie inzwischen herausgefunden, wo genau diese GPS-Koordinaten liegen?«
»Ja«, sagte Kaiser. »Sie bezeichnen einen Punkt im Golf von Mexiko. Fünfundvierzig Kilometer südlich von Petit Bois Island.«
»Außerhalb der Zuständigkeit der Küstenwache.« Alex warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Vierzehn Uhr. Keine zwei Stunden mehr.«
»Keine Sorge, Sie werden dort sein.«
Alex hielt den Atem an. »Im Ernst?«
»Sie und ich, Baby.«
Alex hatte das Gefühl, eine stählerne Fessel um ihre Brust wäre zersprungen.
»Ich habe einen Hubschrauber in Bereitschaft«, sagte Kaiser schwer atmend, als wäre er bereits losgerannt. »Gehen Sie aufs Dach der Universitätsklinik, da ist ein Landefeld. Wir nehmen sechs SWAT-Jungs aus Jackson mit und treffen uns mit ein paar meiner eigenen Leute aus dem FBI-Büro New Orleans.«
»Ich lege jetzt auf. Wagen Sie es nicht, mich außen vor zu lassen, John. Es ist mir egal, ob der Direktor Ihnen mit der Kündigung droht. Kommen Sie mit diesem Hubschrauber zur Uniklinik.«
»Ich bin in zehn Minuten bei Ihnen. Ich möchte, dass Sie schon da sind und warten.«
»Okay.« Sie beendete die Verbindung.
Chris beobachtete sie vollkommen reglos. Das Zittern hatte aufgehört.
»Ich muss mit ihm fliegen. Ich will dich nicht allein lassen, aber …«
»Ich komme schon klar. Ich habe …«
Es klopfte dreimal leise an der Tür. Dann wurde sie einen Spalt weit geöffnet, und eine Stimme, die Alex nicht kannte, fragte unsicher: »Hallo? Liegt hier Chris Shepard?«
»Ja!«, sagte sie und ging zur Tür.
Diese wurde ganz geöffnet, ehe Alex dort war, und ein attraktiver Mann Mitte vierzig mit zwei Kindern, einem Jungen und einem Mädchen, stand vor ihr.
»Mein Name ist Penn Cage«, sagte er und streckte ihr die Hand entgegen. »Ich bin der Sohn von Tom Cage. Sie sind Alex Morse, nehme ich an?«
Sie nickte und schüttelte die dargebotene Hand.
»Mein Vater hat heute Morgen eine leichte Angina«, sagte Penn Cage. »Deswegen dachte ich, dass ich und Annie Ben nach Jackson fahren, damit er seinen Dad besuchen kann. Ich hoffe, das ist in Ordnung?«
Erst da merkte Alex, dass der Junge, der in Schuluniform vor ihr stand, Ben Shepard war. »Oh … oh ja, ich weiß das wirklich zu schätzen.« Sie trat zur Seite, sodass Chris seinen Besuch sehen konnte.
»Penn?«, fragte Chris vom Bett her. »Was …?«
Penn Cage trat zum Bett und schüttelte Chris behutsam die Hand. »Ich dachte, Ben würde gerne mit Annie und mir herfahren.«
Alex sah, wie Chris sich die Augen wischte, ehe die Kinder nahe genug heran waren, um seine Tränen zu entdecken.
Annie Cage war ein drahtiges Mädchen von vielleicht elf Jahren mit schlohweißen Haaren und klugen Augen. Sie nahm Bens Hand und führte ihn zum Bett seines Vaters. Zu Alex’ Überraschung ließ Ben es geschehen, ohne sich zu wehren.
»Hey, Kumpel!«, sagte Chris schwach.
Bens Gesicht war rot. Er sah aus, als würde er jeden Moment weinen. »Bist du krank, Dad?«
»Nur ein bisschen. Aber in ein paar Tagen geht es mir sicher wieder prima. Wie geht es dir?«
Ben nickte mit dem Kopf zu Cage. »Der Bürgermeister hat mich hergebracht, um dich zu besuchen.«
»Das sehe ich. Hallo, Annie.«
»Hi, Dr. Shepard«, sagte Annie Cage artig.
Penn lächelte; dann berührte er Annies Schulter und zog sie zu sich zurück. »Ich denke, wir lassen euch eine Weile allein.«
Chris blickte ihn dankbar an.
»Brauchen Sie irgendwas, Chris?«, fragte Penn. »Eine Cola vielleicht?«
»Nein, danke.«
»Dann bis später.«
Mit einem vielsagenden Blick zu Alex ging Penn nach draußen und nahm seine Tochter mit.
Chris legte Ben die Hand auf die Schulter und sah zu Alex hoch. »Geh und schnapp ihn dir. Komm nicht wieder hierher, bevor du ihn nicht hast. Okay?«
Sie kämpfte einen Schwall von Emotionen nieder; dann nickte sie, winkte zum Abschied und ging nach draußen. Penn Cage wartete auf sie. Seine Tochter saß ein Stück weiter hinten auf einer Bank bei der Schwesternstation.
»Wie schlimm steht es um ihn?«, fragte Cage.
»Er könnte sterben.«
Penn blies die Luft aus. »Kann ich etwas tun,
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