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Leises Gift

Leises Gift

Titel: Leises Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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erhielten wir keine Genehmigung zur Exhumierung.«
    »Warum nicht?«
    »Es ist eine komplizierte Geschichte.«
    Chris spürte, dass sie nicht die Wahrheit sagte. »Das kaufe ich Ihnen nicht ab, Agentin Morse. Wenn das FBI forensische Untersuchungen vornehmen will, bekommt es eine Genehmigung. Was ist mit den Familien dieser angeblichen Opfer? Haben die Leute denn keinen Verdacht, dass nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein könnte? Sind Sie deswegen auf diesen Fall gekommen? Oder hat es mit den Anschuldigungen angefangen, die Ihre Schwester erhoben hat?«
    Zwei schwere Touring-Motorräder kamen ein Stück voraus um eine Kurve. Ihre Scheinwerfer ließen die Regentropfen funkeln.
    »Die Familien mehrerer Opfer haben von Anfang an ein faules Spiel vermutet«, sagte Alex.
    »Obwohl ihre Angehörigen an Krebs starben?«
    »Ja. Die hinterbliebenen Ehegatten, von denen wir hier reden, sind ausgemachte Bastarde.«
    Große Überraschung. »Hatten die angeblichen Opfer die Scheidung eingereicht?«
    »Keines.«
    »Keines? Dann vielleicht die Ehegatten?«
    Alex sah ihn erneut von der Seite her an. »Keiner hat eine Scheidung eingereicht.«
    »Was ist dann passiert? Die Leute waren bei diesem Anwalt, und weiter? Sie haben keine Klage eingereicht?«
    »Ganz recht. Wir vermuten, dass es wahrscheinlich nur eine Konsultation gegeben hat, höchstens zwei. Der Anwalt wartet auf einen schwerreichen Mandanten, der durch seine Scheidung ein Vermögen zu verlieren droht. Oder vielleicht das Sorgerecht für seine Kinder. Und wenn er spürt, dass er einen verzweifelten Mandanten vor sich hat – einen Mandanten mit einem tiefen Hass auf den Ehepartner –, unterbreitet er sein Angebot.«
    »Das ist eine interessante Theorie, Agentin Morse. Können Sie irgendetwas davon beweisen?«
    »Noch nicht. Dieser Anwalt ist sehr ausgeschlafen. Paranoid, genaugenommen.«
    Chris starrte sie ungläubig an. »Sie können nicht einmal beweisen, dass überhaupt ein Mord verübt wurde, geschweige denn, dass eine bestimmte Person damit zu tun hat. Sie haben nichts in den Händen, überhaupt nichts. Alles ist reine Spekulation.«
    »Ich habe das Wort meiner Schwester, Doktor.«
    »Das sie Ihnen auf dem Totenbett gegeben hat, nach einem schweren Schlaganfall.«
    Alex’ Gesicht wurde zu einer Maske trotziger Entschlossenheit.
    »Ich will Sie nicht wütend machen«, sagte Chris. »Ihr Verlust tut mir wirklich sehr leid. Ich sehe diese Art von Tragödie jede Woche, und ich weiß, was es für die Familien bedeutet.«
    Alex schwieg.
    »Aber Sie müssen zugeben, es ist eine sehr komplexe Theorie, die Sie da entwickelt haben. Sehr weit hergeholt. Es ist genaugenommen Hollywood-Stoff«, sagte er, indem er sich Fosters Worte ins Gedächtnis rief. »Viel zu kompliziert für die Wirklichkeit.«
    Alex sah nicht wütend aus, im Gegenteil – sie wirkte beinahe amüsiert. »Dr. Shepard, im Jahre 1995 wurde ein vierzig Jahre alter Neurologe vom Vanderbilt Medical Center verhaftet. Er hatte eine Spritze mit einer zehn Zentimeter langen Nadel in der Tasche. Die Spritze war mit Kochsalzlösung und Borsäure gefüllt. Sicher wissen Sie, dass diese Lösung tödlich gewesen wäre, hätte man sie in ein menschliches Herz injiziert.«
    »Das ist so ungefähr der einzige Verwendungszweck für eine zehn Zentimeter lange Nadel«, dachte Chris laut.
    »Der Neurologe hatte einen Mord an einem anderen Arzt geplant. Als die Polizei einen Lagerraum durchsuchte, den er angemietet hatte, fand sie Bücher über die Ermordung von Menschen und die Herstellung toxischer biologischer Substanzen. Darüber hinaus fanden die Beamten ein Marmeladenglas voller Ricin, einem der tödlichsten Gifte überhaupt. Der Neurologe hatte die Seiten eines Buchs mit einer Lösung tränken wollen, die eine Aufnahme von Ricin durch die Haut bewirkt.« Alex sah Shepard mit erhobenen Augenbrauen an. »Ist das weit genug hergeholt für Sie?«
    Chris schaltete zwei Gänge herunter und radelte voraus. Alex beschleunigte, bis sie ihn wieder eingeholt hatte. »Im Jahre 1999 wurde in San Jose, Kalifornien, eine Frau mit Übelkeit und extremen Kopfschmerzen in ein Krankenhaus eingeliefert. Man machte eine Computertomographie, konnte aber nichts finden. Doch eine medizinisch-technische Assistentin hatte die Ohrringe der Frau neben einen Stapel unbelichteter Röntgenfilme gelegt. Als die Filme entwickelt wurden, entdeckte man einen scheinbaren Defekt sämtlicher Filmplatten in sehr charakteristischer Form. Schließlich

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