Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leises Gift

Leises Gift

Titel: Leises Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
Vom Netzwerk:
erinnerte die Assistentin sich an die Ohrringe der Frau. Einer davon hatte die Filme belichtet.«
    »Der Ohrring war radioaktiv?«
    »Einer der Ohrringe, ja. Der Ehemann der Kranken war ein Onkologe, der viel mit Bestrahlung arbeitete. Die Polizei rief das FBI zu Hilfe, und wir fanden heraus, dass das Mobiltelefon der Frau so heiß war wie ein Trümmerstück von Tschernobyl. Wie sich herausstellte, hatte der Ehemann ein kleines Cäsium-Pellet in ihrem Handy versteckt. Natürlich hatte er das Cäsium längst wieder in seinen Bleimantel in der Praxis zurückgepackt, als wir es herausfanden. Doch die Spuren waren noch immer vorhanden.«
    »Ist die Frau an Krebs erkrankt?«
    »Noch nicht, aber das kann jederzeit geschehen. Sie hat das Hundertfache der zulässigen Dosis an Strahlung absorbiert.«
    »Was ist aus ihrem Mann geworden, dem Onkologen?«
    »Er sitzt in San Quentin ein. Worauf ich hinaus will … auch Ärzte sind nicht immun gegen mörderische Anwandlungen. Und sie sind imstande, höchst komplizierte Pläne auszuhecken und durchzuführen. Ich könnte Ihnen Dutzende weiterer Beispiele aufzählen.«
    Chris winkte ab. »Sparen Sie sich den Atem, Agentin Morse. Ich kenne selbst eine Reihe durchgeknallter Kollegen.« Trotz seiner lässigen Antwort hatten Alex’ Enthüllungen ihn ernüchtert.
    »Es gibt viereinhalbtausend Ärzte in Mississippi«, fuhr Alex Morse fort. »Dazu kommen etwa fünftausend Zahnärzte. Dann wären da Tierärzte, Medizintechniker, medizinische Forscher an den Universitäten, Krankenpfleger und Schwestern – ein gewaltiger Pool von Verdächtigen, selbst wenn wir davon ausgehen, dass der Mörder aus Mississippi stammt. Und ich verfolge diese Theorie erst seit sieben Tagen.«
    Während Alex sprach, wurde Chris bewusst, dass die scheinbare Ungeheuerlichkeit der Aufgabe eine Illusion war. Lagen ausreichend Informationen vor, war das Problem zu bewältigen. »Sie müssen die Todesursachen dieser Opfer feststellen, so schnell wie möglich – oder besser, die Ursache für die Todesursache. Die Ätiologie dieser Krebserkrankungen. Falls es Strahlung ist, könnten Sie den Pool von Verdächtigen ziemlich schnell sehr deutlich eingrenzen.«
    »Ein Experte, mit dem ich mich darüber unterhalten habe, sagte mir, dass Strahlung die sicherste und einfachste Methode ist.« Ihre Stimme bekam einen aufgeregten Unterton.
    »Aber Sie haben keine forensischen Beweise? Keine äußerlichen Strahlenschäden der Haut? Keine merkwürdigen oder unerklärlichen Symptome, die lange vor der Krebsdiagnose erkannt wurden?«
    »Nein. Wie bereits gesagt, die örtlichen Polizei-und Justizbehörden gehen nicht davon aus, dass es sich bei den Todesfällen um Morde gehandelt haben könnte, daher gibt es Schwierigkeiten beim Zugriff auf die Leichen.«
    »Was ist mit den Krankenakten der angeblichen Opfer?«
    »Ich konnte mit Hilfe wütender Angehöriger die Akten zweier Opfer organisieren. Beide wurden von Experten mit akribischer Sorgfalt analysiert, und in beiden findet sich nichts Verdächtiges.«
    Chris blinzelte erneut, um den Schweiß aus den Augen zu vertreiben, den der Regen hineingewaschen hatte.
    »Andererseits wurde mir gesagt, dass radioaktive Strahlung die verschiedenen Krebserkrankungen erklären könnte«, fuhr Agentin Morse fort. »Man kann nicht vorhersagen, wie die Zellen reagieren, wenn man jemanden radioaktiver Strahlung aussetzt.«
    Chris nickte, doch irgendetwas an der Idee störte ihn. »Ihre Experten haben recht, was das angeht. Andererseits – wieso war Blutkrebs das einzige Ergebnis? Warum keine Gewebstumore? Warum keine Melanome? Und warum einzig und allein diese super-aggressiven Formen von Blutkrebs? So etwas kann man nicht durch Strahlung allein bewirken.«
    »Vielleicht schon«, entgegnete Alex. »Wenn man Experte für Strahlenmedizin ist.«
    »Vielleicht«, räumte Chris ein. »Wenn es gelingt, hauptsächlich das Knochenmark zu bestrahlen, kann man möglicherweise mehr Blutkrebs als andere Formen von Krebs hervorrufen. Aber wenn das so ist, haben Sie Ihren Pool von Verdächtigen soeben um gut zehntausend Personen verkleinert.«
    Alex lächelte. »Glauben Sie mir, Dr. Shepard, jeder Radiologe in Mississippi wird derzeit gründlich durchleuchtet.«
    »Und wie viele gibt es?«
    »Neunzehn. Allerdings ist es nicht allein eine Sache der Alibis. Ich kann nicht einfach fragen, wo ein Arzt an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Zeit gewesen ist, weil wir nicht wissen, wann die verschiedenen Opfer

Weitere Kostenlose Bücher