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Leises Gift

Leises Gift

Titel: Leises Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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verstrahlt wurden. Verstehen Sie?«
    »Ja. Rasterfahndung kommt nicht in Betracht. Aber es ist nicht bloß ein Arzt, nach dem Sie suchen, richtig? Sondern einer, der mit dem Anwalt in Verbindung steht. Wenn Sie recht haben, ist der Anwalt mehr oder weniger der Agent des Killers.«
    »Agent ist richtig. Nur, dass unser Agent keinen Profisportler oder Schriftsteller oder Sänger managt, sondern einen Mörder.«
    Chris lachte leise auf. »Wie kann es zu einer solchen Partnerschaft gekommen sein? Man kann schließlich nicht zielgerichtet nach vielversprechenden jungen Nachwuchsmördern suchen. Es gibt kein Killer-Casting in den Medien. Setzt der Anwalt vielleicht eine Anzeige ins Internet, um jemanden zu rekrutieren, der Leute umbringt, ohne Spuren zu hinterlassen? Beschäftigt er einen Headhunter, der sich auf Ärzte spezialisiert hat?«
    »Ich weiß, es klingt lächerlich, wenn Sie es so darstellen, aber wir reden hier von sehr viel Geld.«
    »Wie viel?«
    »Millionen, in jedem einzelnen Fall. Der Anwalt hat sozusagen eine ziemlich große Möhre, die er jemandem vor die Nase halten kann, der in seinem legalen Job höchstens hundert Riesen im Jahr macht, eher weniger.«
    Chris steuerte in sanften Schwenks nach rechts und links. Alex hielt genügend Abstand, um ihn nicht zu behindern.
    »Anwälte lernen berufsbedingt eine ganze Reihe von Verbrechern kennen«, sagte sie. »Und Notwendigkeit ist die Mutter der Erfindung, richtig? Ich denke, dieser Typ hat einfach einen Bedarf für eine Dienstleistung gesehen und eine Methode gefunden, wie er sie liefern kann.«
    Chris setzte sich vor Alex, damit ein großer Sattelschlepper vorbeikonnte – illegal, denn diese Laster waren auf dem Natchez Trace verboten. »Vieles von dem, was Sie sagen, ergibt einen Sinn«, rief er über die Schulter, während der Sattelschlepper davonbrauste. »Aber ich glaube immer noch, dass Ihre Theorie aus der Luft gegriffen ist.«
    »Aus welchem Grund?«, fragte Alex und setzte sich wieder neben ihn.
    »Der Zeitfaktor. Wenn ich jemanden umbringen will, dann doch deswegen, weil ich ihn wirklich hasse … oder weil ich eine ganze Menge gewinne, wenn er stirbt. Oder weil ich Millionen Dollar verliere, wenn meine Frau weiterlebt, wie Sie gestern meinten. Was, wenn sie mir meine Kinder wegnehmen will, für immer? Ich werde nicht Monate oder Jahre warten, bis sie den Löffel abgibt. Ich will sie sofort tot sehen.«
    »Selbst wenn das so ist, führt es in den allermeisten Fällen zu einer Verurteilung, und der Mörder wandert ins Gefängnis«, entgegnete Alex. »Insbesondere in einer Scheidungssituation. Wenn Sie den Mord nicht selbst ausführen – wen beauftragen Sie? Sie sind Multimillionär. Sie haben keine Gangsterbande, an die Sie sich wenden könnten. Stellen Sie sich vor, wie jemand in einer solch verzweifelten Situation auf einen aalglatten Anwalt reagieren würde, der ihm einen risikolosen Ausweg aus all seinen Problemen zeigt. Ein perfekter Mord ist es wert, dass man ein bisschen wartet.«
    Da hat sie nicht unrecht, überlegte Chris. »Ich verstehe, was Sie meinen«, sagte er. »Aber ganz egal, wie Sie es drehen und wenden, eine Scheidungssituation hat immer etwas Dringliches. Die Leute sind wütend. Sie tun alles, um ihre Ehe abzustreifen. Sie haben ein starkes Bedürfnis, diesen Lebensabschnitt hinter sich zu bringen und ihren neuen Liebhaber beziehungsweise ihre neue Geliebte zu heiraten.«
    »Da haben Sie recht«, räumte Alex ein. »Aber wenn Sie schon Jahre auf Ihre Freiheit gewartet haben, vielleicht sogar Jahrzehnte. Jeder Anwalt kann Ihnen sagen, dass eine rechtskräftige Scheidung – der ganze Prozess von Anfang bis zum Ende – sehr lange dauern kann. Wenn die Scheidung angefochten wird, reden wir von albtraumartigen Verzögerungen. Selbst wenn man auf unüberbrückbare Differenzen plädiert, widersprechen Ehepartner häufig, und es dauert ein Jahr oder länger bis zur Verhandlung. Menschen werden verletzt, Menschen mauern, die Verhandlungen werden abgebrochen. Auf diese Weise können Jahre vergehen.« Plötzlich atmete Alex schwer. »Wenn Ihr Anwalt Ihnen sagen würde, dass er Ihnen im gleichen Zeitraum, den Ihre Scheidung in Anspruch nehmen würde, Millionen von Dollar ersparen, Ihnen das volle Sorgerecht über Ihre Kinder garantieren und obendrein verhindern könnte, dass Ihre Kinder Sie hassen – Sie würden zumindest darüber nachdenken, oder nicht?«
    Sie überquerten die Hochbrücke über den Cole’s Creek. Chris bremste,

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