Leises Gift
zurück zum Wagen. Ich kann nicht mehr auf Sie warten.«
Er stieg auf sein Rad und wollte losfahren, doch Alex packte seinen Arm und hielt ihn mit verblüffender Kraft fest. Mit der anderen Hand zog sie etwas aus der Tasche. Ein Handy.
»Nehmen Sie das«, sagte sie. »Meine Nummer ist einprogrammiert. Sie können offen hineinsprechen. Es ist die einzige sichere Verbindung zwischen uns.«
Er schob das Handy von sich. »Nein.«
»Seien Sie kein Dummkopf, Chris. Bitte.«
Er starrte auf das Handy, als hätte er noch nie eins gesehen. »Wie soll ich es Thora erklären?«
»Thora fährt weg. Sie können es doch wohl einen oder zwei Tage vor Ihrer Frau verstecken?«
Er blies ärgerlich die Luft aus, doch er nahm das Handy.
Alex sagte eindringlich: »Sie müssen aufhören, immer nur der nette Mann zu sein, Chris. Sie schweben in Lebensgefahr, verdammt!«
Ein seltsames Lächeln legte sich auf seine Lippen. »Tut mir leid, aber das glaube ich nicht.«
»Die Zeit wird es zeigen. Auf die eine oder andere Weise.«
Er wollte losfahren, doch erneut hinderten ihn seine Südstaaten-Manieren daran. »Kommen Sie hier draußen allein zurecht?«
Alex drehte sich um und hob den Saum ihrer Bluse. Darunter kam der Griff einer halbautomatischen Pistole zum Vorschein. Im Kontrast zu ihre schlanken Taille sah die Waffe riesig aus. Während Chris noch darauf starrte, stieg Alex auf ihr Rad und packte den Lenker. »Rufen Sie mich an, sobald Sie können. Wir haben nicht viel Zeit, uns vorzubereiten.«
»Und wenn ich stattdessen das FBI anrufe?«
Sie zuckte die Schultern, als würde es sie völlig kaltlassen. »Dann habe ich keinen Job mehr. Aber ich werde nicht aufhören. Und ich werde weiterhin versuchen, Sie zu retten.«
Chris klickte die Schuhe in die Pedale und fuhr davon, so schnell er konnte.
11
Andrew Rusk trat das Gaspedal seines Porsche Cayenne durch, schoss über zwei stark befahrene Querstraßen und warf dann einen Blick in den Innenspiegel. Die ganze letzte Woche hatte er das Gefühl gehabt, verfolgt zu werden. Nicht nur auf der Straße. Er aß häufiger in einem der feineren Restaurants der Gegend zu Abend, und bei mehr als einer Gelegenheit hatte er das Gefühl gehabt, dass er dabei beobachtet wurde – von jemandem, der gerade rechtzeitig den Blick abwandte, um nicht ertappt zu werden. Doch am deutlichsten war das Gefühl auf dem Highway.
Andererseits – falls er observiert wurde, dann von Profis. Wahrscheinlich benutzten sie mehrere Fahrzeuge, was ein schlechtes Zeichen war. Mehrere Fahrzeuge konnten nur bedeuten, dass die Behörden sich für ihn interessierten, und Rusk hatte nicht die geringste Lust, Glykon irgendetwas in dieser Richtung zu sagen. Abgesehen davon – solange er unsicher war, musste er auch gar nichts sagen.
An diesem Tag jedoch war alles anders. An diesem Tag hatte ihn ein dunkelblauer Crown Victoria beschattet, seit er auf die I-55 aufgefahren war. Er hatte mehrere Male rasant beschleunigt, doch der Crown Vic war an ihm drangeblieben. Schließlich hatte Rusk so getan, als würde er den Freeway verlassen, nur um in letzter Sekunde wieder auf die Interstate zurückzuschwenken, und sein Verfolger hatte sich endgültig verraten. Die gute Nachricht war, dass eine Gesetzesbehörde mit mehreren Beschattungsfahrzeugen im Einsatz wohl eher nicht dazu neigte, einen solch kapitalen Fehler zu begehen. Die schlechte Nachricht lautete, dass Rusk zu einem Treffen unterwegs war und keine Zeit hatte, seinen Verfolger mühsam abzuschütteln.
Während er weiter nach Süden fuhr, kam ihm eine mögliche Lösung in den Sinn. Er verließ die Interstate beim Meadowbrook Drive, unterquerte den Freeway und fuhr nach Osten. Der Crown Victoria blieb zehn Wagenlängen hinter ihm. Kurz darauf rollte Rusk durch Old Eastover, eine der exklusivsten Wohngegenden in der Hauptstadt. Rusk fragte sich, ob sein Verfolger von einer Regierungsbehörde kam. Das FBI benutzte manchmal Crown Victorias, untermotorisierte amerikanische Karren.
Andrew hielt sich auf der Hauptstraße, die ein beinahe unmerkliches Gefälle besaß. Er fragte sich, ob sein Beschatter wusste, dass dieses Gefälle aus der Nähe zum Pearl River herrührte. Noch vor wenigen Jahren war die Ebene vor ihm ein Überflutungsgebiet gewesen, ungeeignet als Bauland. Die Gegend war noch immer ein Überflutungsgebiet, doch in der Zwischenzeit hatte das Geld seine Stimme erhoben, und nun war das tief liegende Land zu brandneuem Siedlungsgebiet erklärt worden.
Vor
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